Von den 200 registrierten und in Wandsbek wohnhaften Mitgliedern der jüdischen Gemeinde Wandsbek ist etwa die Hälfte ab 1930 emigriert, die meisten bis 1935.
Bei einer Forschungsreise nach Israel 1987 konnte ich Angehörige mehrerer Familien aufsuchen. Sie waren Mitglieder des Vereins "Ehemalige Hamburger in Israel", über den ich ihre Adressen ausfindig machen konnte. Getroffen habe ich die in Wandsbek geborenen Kinder der inzwischen verstorbenen Elterngeneration der Familien Bamberger, Heppner, Victor, Yair, später auch Nachkommen der Familie Haller. Über Nachfahren der Familie Beith erhielt ich Kontakt zu Erika Estis, geb. Freundlich in den USA.
Doch zurück ins Jahr 1987. Zuerst habe ich die Töchter von Rabbiner Bamberger getroffen, Hella Rosenheim in Kirjath Motzkin in der Nähe Haifas und Male Goldschmidt in Jerusalem. Dort lebten auch die Söhne von Dr. Ernst Heppner, Menachem und Jakob. Sie händigten mir das Foto aus, das einzige mir bekannte vom 1.April 1933, dem sogen. "Judenboykott" in Hamburg. Es wurde vor dem Wohnhaus der Familie in Wandsbek aufgenommen. In Tel Aviv traf ich die Tochter von Dr. Willy Victor, Rahel Cegla, in ihrem Maleratelier über den Dächern der Stadt.
Die "Ehemaligen" haben es mir leicht gemacht, ich konnte bei ihnen privat wohnen. Manche wollten viel über damals sprechen, andere weniger. Sie überließen mir Fotos und Dokumente. Nicht alle konnten den Schmerz über die verlorene Heimat verbergen, insbesondere ihre zwangsweise Austreibung wirkte noch nach. Alle wiesen mit einem gewissen Stolz auf die Errungenschaften des von ihnen mit aufgebauten Staates Israel hin. In Tel Aviv quartierte mich Hella Rosenheim bei ihrem Sohn ein, ich erinnere mich an eine Wohnung mit Meerblick. In Jerusalem brachte sie mich bei ihrem Cousin Naphtali BarGiora Bamberger unter. Dort im Jewish Quarter schlief ich unter einem dicken Federbett, allerdings kam es zu einem interkulturellen Missverständnis, ich musste das Quartier verlassen und wurde vom Hausherrn in ein wenig bequemes, streng religiöses Hotel verfrachtet, wo ich bei kühlem Wetter unter der Sabatruhe litt.
In Hamburg hatte ich bereits Ephraim Yair kennengelernt, vormals Adler, den ich in Israel im Kibbuz Tirat Zwi aufsuchte. Ich konnte dort in einem separaten Gästehaus wohnen, unter den klimatischen Bedingungen der Jordansenke eine gewisse Herausforderung. Einmal fuhren wir von dort in die hügelige Landschaft Galiläas mit ihrem kühleren Kleinklima.
Ausgestattet mit den Belegen aus Familienarchiven und Kopien aus historischen Archiven fuhr ich nach Hamburg zurück, vereinigte meine "Funde" mit Belegen aus Wandsbeker Beständen des Staatsarchivs Hamburg und begann Biografien über die Wandsbeker Familien zu verfassen. In einer Ausstellung zur jüdischen Gemeinde Wandsbek 1988 veröffentlichte ich erste Ergebnisse. Ein Jahr später konnte ich mein Buch "Die Juden Wandsbek - Spuren der Erinnerung 1904-1940" veröffentlichen.
Ohne Selbstzeugnisse ehemaliger jüdischer Wandsbeker hätte ich es nicht schreiben können, aber auch nicht schreiben wollen.