Stolpersteinbiografien A-H

frühere Wohnadresse Behrendt  Blick in die Zollstraße (HMW)

Bruno Behrend, geb. 28.10.1898, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Else Behrend, geb. Blank, geb. 24.4.1901, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Ursula Behrend, geb. 23.03.1930, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk

Wandsbeker Zollstraße 89 (Zollstraße 14–16)

Unter die vielfältigen Gerüche, die einst durch die Straßen Wandsbeks zogen, und an Gewürze, Hefe, Tabak und Malz erinnerten, mochte sich auch der Duft nach Kakao und gebrannten Mandeln gemischt haben. Denn in der Zollstraße 14–16 betrieben Bruno und Else Behrend ein Einzelhandelsgeschäft, in dem Schokoladen- und Zuckerwaren größtenteils selbst hergestellt wurden. Die Eheleute hatten 1927 in Hamburg geheiratet, wo sie in der Bundesstraße 95 wohnten. Am 23. März 1930 wurde die Tochter Ursula Lilli geboren. Anfang 1933 zog die Familie nach Wandsbek, anfangs in die Lübeckerstraße 106 und danach weiter östlich in die Zollstraße 16. Über einen Zwischenaufenthalt in der Rauchstraße 4 kehrten sie in die Zollstraße zurück. 

Bruno Behrend wurde am 28. Oktober 1898 als Sohn der Rebekka Behrend, geb. Mahler, in Hamburg geboren. Sein leiblicher Vater war – wie Behrend erst später erfuhr – Arnold Dürkop, der kein Jude war. Über Behrends Schulzeit und beruflichen Werdegang ist nicht viel bekannt. Aus einer Aktennotiz geht hervor, dass er bei der Firma Paul Schröder als Bonbonkocher arbeitete, also über Erfahrungen in der Süßwarenbranche verfügte.
Seine Ehefrau war die Tochter von Albert Blank und Hedwig, geb. Dessauer. Else Behrend wurde am 24. April 1901 in Steinhude/Hannover geboren. Sie hatte einen älteren Bruder. Nach dem Besuch der Grundschule in Rehburg besuchte sie die Schule in Rinteln und beendete ihre Ausbildung auf der dortigen höheren Mädchenschule. 

Dank ihrer Mitgift konnte Else Behrend zusammen mit ihrem Ehemann die bereits bestehende Fabrik zur Herstellung von Konfekt und Marzipan in Wandsbek übernehmen, wobei Bruno Behrend als alleiniger Inhaber fungierte. Neben dem Detail-Geschäft für Süßwaren wurde auch en gros an Einzelhändler geliefert. Das Detail-Geschäft führte Else Behrend allein, im Übrigen erledigte sie die anfallenden Büro- und Buchhaltungsarbeiten. Auf dem Grundstück befand sich ein Verkaufsraum, dem im Hof eine Werkstatt zur Herstellung der Süßwaren angeschlossen war. In dem Betrieb waren außer Bruno Behrend noch zwei bis drei Arbeitskräfte beschäftigt. Nach der Erinnerung des späteren Aufkäufers der Einrichtung ging das Geschäft sehr gut, weil die Inhaber qualitativ hochwertige Produkte herstellten. 

Die Wohnung der Familie befand sich im selben Haus. Es handelte sich um eine geräumige Dreizimmerwohnung mit Nebenräumen, die gut bürgerlich eingerichtet war. Die Familie beschäftigte eine Putzfrau; ein Auto war vorhanden. Alles schien sich günstig zu entwickeln, bis das Geschäft 1935 auf einem NS-Hetzflugblatt mit aufgelistet wurde. 1939 musste der Betrieb aufgegeben werden, zudem kriselte die Ehe. Else Behrend hatte durch ihren Anwalt am 19. Dezember 1938 die Scheidung eingereicht, die Anfang Februar 1939 wirksam wurde. Sie zog mit ihrer Tochter zu ihren Eltern, die mittlerweile von Fürsorgeunterstützung lebten, in die Pelzerstraße 9 I. Sie selbst erhielt von ihrem Ehemann an Unterhalt 20 RM pro Woche und im folgenden Jahr die doppelte Summe. 

Else Behrends Eltern hatten 1931 ihr Textilgeschäft in Rinteln aufgegeben und waren nach Hamburg gezogen, in die Nähe ihrer verheirateten Tochter. Die Mutter, Hedwig Blank, betrieb eine Wäscherei-Annahmestelle mit Heißluftmangel in der Pastorenstraße 20. Die Wohnung befand sich in Altona, Große Gärtnerstraße 25. Später zogen die Eheleute in die Hamburger Neustadt, Pelzerstraße 9 II.

Auch Bruno Behrend war 1939 in der Pelzerstraße 9 gemeldet. Er bemühte sich jetzt um die Anerkennung als „Mischling 1. Grades“, da sein Vater ja kein Jude gewesen war. In einem Vermerk der Devisenstelle von Juni 1939 hieß es: „... hat sich erst jetzt herausgestellt, dass er Mischling I. Grades ist. B. hat bis Anfang Febr. 33 der jüdischen Religion angehört und ist dann ausgetreten. B. war mit einer Jüdin verheiratet. Ehe seit Jan. 39 geschieden.“ Nach einem Eintrag auf der Kultussteuerkarte hatte er seinen Austritt jedoch erst am 4. Mai 1938 erklärt. 

Wahrscheinlich ist, dass er 1933 bei seiner Übersiedlung aus der Deutsch-Israelitischen Gemeinde ausgetreten und in die Jüdische Gemeinde Wandsbek eingetreten war. 
1939 wurde das Geschäft der Eheleute Behrend geschlossen, ohne an einen „arischen“ Nachfolger überzugehen. Bruno Behrend hätte den Betrieb gern verkauft, doch der zuständige Senator Wilhelm von Allwörden verweigerte im Juni 1939 dafür die Genehmigung. Behrend konnte lediglich Einrichtung und Warenvorräte veräußern. Sie gingen für 300 RM an den Inhaber der späteren Hamburger Kakao- und Schokoladenfabrik Gustav Hamester.

Obwohl nun im Sinne der Devisenstelle alles unter Dach und Fach zu sein schien – es gab einen „jüdischen“ Betrieb weniger, und die Eheleute Behrend besaßen auch kein Vermögen mehr – schaltete sich das dem Polizeipräsidium unterstellte Passamt ein. In einem Schreiben an das Finanzamt von Juli 1939 ging es um „Vorbereitende Maßnahmen zur Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland“, wobei beide Namen der geschiedenen Eheleute aufgeführt wurden. Unter „Verdachtsgründe“ hieß es: „Behrend ist wg. des Verdachts der Rassenschande festgenommen gewesen. Ihm ist die polizeiliche Auflage erteilt worden, unverzüglich seine Auswanderung zu betreiben. Termin ist erstmalig zum 1.10.39 gegeben.“ Das Delikt „Rassenschande“ war ein übliches Druckmittel, um jüdische Geschäftsinhaber zur Aufgabe ihres Geschäftes zu zwingen, und wenn das bereits erfolgt war, um ihre Auswanderung zu forcieren. 

Zur Auswanderung kam es nicht. Wohin hätte sich die nunmehr mittellose Familie auch wenden können? Else Behrends Bruder, Paul Blank, lebte zwar seit 1934 in Palästina, doch mit Ausbruch des Krieges am 1. September 1939 bestand keine legale Auswanderungsmöglichkeit mehr dorthin. Geringe Geldmittel und fehlende aufnahmebereite Staaten ließen Pläne zur Emigration – sollte die Familie sie betrieben haben – ins Leere laufen. So kamen Bruno, Else und Ursula Behrend schließlich dem Deportationsbefehl nach und bestiegen am 8. November 1941 den Zug nach Minsk. War Bruno Behrend als sogen. Halbjude überhaupt gezwungen mitzufahren? Hatten die Behörden ihm den „arischen“ Vater nicht abgenommen oder hatte er sich freiwillig gemeldet aus Verantwortung gegenüber Frau und Tochter? Diese Fragen müssen hier ohne Antwort bleiben.

Ansicht vom Gettogelände in Minsk      getto minsk

 Die aus Hamburg nach Minsk Deportierten blieben generell als Gruppe   zusammen. Aus ihrer Mitte – sie waren die ersten dort Eingetroffenen –   rekrutierte sich auch die Lagerleitung, darunter offenbar auch Bruno Behrend.   Er ist nahezu der einzige von allen Wandsbeker Deportierten, über desse n   weiteres Schicksal am Deportationsort Zeitzeugen berichtet haben, darunter auch sein Bruder Walter Mahler. Dieser wurde 1959 als Zeuge im Verfahren gegen den SS-Obersturmführer und Kriminaloberrat Georg Heuser vernommen und gab Folgendes über die Zustände im Minsker Getto zu Protokoll: „Im Januar 1942 wurde mein Bruder Bruno Behrend festgenommen, weil er über den ... Schutzpolizeibeamten ... Briefe in das Reichsgebiet gesandt hatte. Als die Antwort ankam, wurde mein Bruder festgenommen. Mit ihm wurden die Angehörigen des Judenrates, etwa 10 bis 11 Mann, gleichfalls festgenommen, weil diese für alle Angelegenheiten im Ghetto verantwortlich waren. Am 18.1.1942 wurden die genannten Personen festgenommen. ... Ende Februar 1942 wurden alle Personen exekutiert. Die Exekution wurde, vermutlich zur Abschreckung, im Ghetto vorgenommen, und zwar vor dem Sitz des Judenrates. Ich musste seinerzeit die Beerdigung meines Bruders selbst vornehmen.“ Nach der Aussage eines anderen Zeitzeugen fand die Exekution am 13. April 1942 statt, wobei acht Mitglieder der Lagerleitung, allesamt Hamburger, ermordet wurden. „Die anderen sieben wurden, auf einem Lastwagen liegend, in den Hof des Lagers gefahren. Von Fußtritten und Peitschenhieben begleitet, mussten sie einzeln von dem Wagen herunterklettern, sich mit dem Gesicht zur Erde gewandt hinlegen und sich mit den Füßen ausrichten. Dann stellte sich SS-Obersturmführer Burckhardt dorthin, wo ihre Füße lagen und erschoss erst den rechten Flügelmann ... und wiederholte das Manöver ... so lange, bis der letzte erschossen war.“
Ob Else und Ursula Behrend zu dieser Zeit noch am Leben waren, ist nicht geklärt. 
Die Eltern von Else Behrend wurden am 15. Juli 1942 von der Bundesstraße 43 nach Theresienstadt deportiert. Nur zwei Wochen später verstarb Albert Blank dort. Seine Frau, Hedwig Blank, wurde weiterdeportiert und im Todeslager Maly Trostinez ermordet. 

Astrid Louven
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Familie  Beith
Josef Beith, geb. 24.6.1897, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz,
um den 10.5.42 nach Chelmno
Martha Beith, geb. Fränkel, geb. 29.6.1905, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, um den 10.5.42 nach Chelmno
Harald Beith, geb. 19.10.1927, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, um den 10.5.42 nach Chelmno
Günther Beith, geb. 14.6.1933, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, um den 10.5.42 nach Chelmno
Uri Beith, geb. 23.9.1938, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, um den 10.5.42 nach Chelmno

Stolpersteine: Wandsbeker Marktstaße 20-22 (Hamburgerstr. 13)

Hochzeit im Hause Beith 1934 (Foto Privatbesitz)      hochzeit beith
Das Foto, aufgenommen in einer Atmosphäre zwischen Abschied und Aufbruch, zwischen Bangen und Hoffen, zeigt eine Hochzeitsgesellschaft im Herbst 1934 und gleichzeitig eine der letzten größeren Zusammenkünfte im Hause Beith. Das Familienporträt entstand im Wohn- und Esszimmer des Hauses Hamburgerstr. 13, zweiter Stock, anlässlich der Eheschließung der jüngsten Tochter Cora mit dem Mediziner Kurt Abraham. Acht Jahre später lebte von den 24 abgebildeten Personen, darunter drei Kinder, keine mehr in Deutschland. Von den Angehörigen der seit Generationen in Wandsbek ansässigen gutsituierten Familie wurden acht deportiert, sie kamen in Gettos zu Tode oder wurden in Vernichtungslagern ermordet. Den Übrigen gelang bis 1940 die Auswanderung in die USA. Erika Freundlich, das Mädchen mit der Matrosenbluse und Nichte der Braut, gelangte 1938 mit einem Kindertransport nach England, nach Kriegsende übersiedelte sie in die USA. (Siehe auch Biografietext Freundlich. 
Am rechten Bildrand sehen wir Josef Beith stehen, daneben seine Frau Martha, beide in Wandsbek geboren. Sein Vater war der aus Altona stammende Hausmakler (Benjamin Wolf) Benny Beith, der seit Jahrzehnten das Amt des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Wandsbek bekleidete. Seine Mutter Selma, geb. Auerbach, wurde ebenso in Wandsbek geboren wie schon ihre Mutter Dina, geb. Hirsch. Benny und Selma Beith gingen im Juni 1891 die Ehe ein (beide links neben der Braut sitzend). Die Eheleute hatten fünf Kinder, die Söhne Siegfried und Josef, die Töchter Irma, Else und Cora, alle zwischen 1894 und 1907 geboren. 
Josef Beith war der Zweitjüngste. Er wohnte mit einer kurzen Unterbrechung vor dem Ersten Weltkrieg bis 1926 im Elternhaus, das Benny Beith seit 1914 gehörte. Einst hatte an dieser Stelle der Dichter Matthias Claudius gelebt, (s)ein alter Lindenbaum soll Mitte der 1930er Jahre noch im Garten gestanden haben. Zudem befand sich unter dieser Adresse der langjährige Sitz der Jüdischen Gemeinde, ebenso wurde von dort die Maklerfirma geführt, die Benny Beith seit 1905 in Wandsbek betrieb. Das Claudius-Haus war in drei Parteien aufgeteilt; die Familie Beith lebte im mittleren Teil. Im Erdgeschoss befand sich der Maklerbetrieb, die beiden oberen Stockwerke dienten dem Familienleben. Das heutige Gebäude trägt keinerlei historisch relevante Spuren mehr; eine Plakette erinnert an die Claudius-Zeit und die Stolpersteine verweisen auf die Familie Beith. 
Josef Beith lebte ab 1912 zwei Jahre lang in Mainz, wurde als 18-Jähriger Kriegsteilnehmer und durch Kampfgas so schwer geschädigt, dass er nur noch bedingt arbeitsfähig war. Obwohl er sich als Hausmakler betätigte, bedurfte er der finanziellen Unterstützung durch seinen Vater. Anfang der 1920er Jahre amtierte er als Vorsitzender des neu gegründeten jüdischen Gemeindevereins von Wandsbek und Umgebung. 
Da er beabsichtige zu heiraten, bezog er ab November 1926 eine Wohnung im Erdgeschoss der Jüthornstr. 1d. Die Hochzeit mit der jüdischen Kaufmannstochter Martha Fränkel fand Anfang 1927 statt. Ihr Vater war der Schuhwarenhändler Jacob Fränkel, der mit seiner Familie in der Schillerstr. 2 wohnte (s. Kap. Fränkel). Ende desselben Jahres stellte sich Nachwuchs ein: Harald Beith wurde am 19. Oktober 1927 in Wandsbek geboren. Seine Cousine Erika Freundlich schilderte ihn als hübschen und sehr intelligenten Jungen, der jedoch an Atemproblemen infolge Asthmas gelitten habe. Um der wachsenden Familie ein angemesseneres Domizil zu bieten, zogen die Beiths 1929 in die Villa Bärenallee 16. Josef Beith hatte das Haus der Familie Seligmann gekauft (s. Kap. Seligmann). Doch vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise konnte er nur einen Teil des Kaufpreises aufbringen, so dass der Verkauf zwei Jahre später rückgängig gemacht und Helene Seligmann als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde. Die Beiths zogen in die Von-der-Tann-Str. 7a. Josef Beith musste alles in allem eine krisenhafte Zeit durchlebt haben, wie sein Konflikt mit der Jüdischen Gemeinde Wandsbek ein Jahr später zeigte. Ende Dezember 1932 beschwerte er sich über Rabbiner Bamberger. Dieser soll ihn, während Beith einen religiösen Text in der Synagoge vortrug, falsch beurteilt und vor den Gottesdienstbesuchern lächerlich gemacht haben. In seinem Beschwerdebrief an den Gemeindevorstand ging Beith in seinen Anschuldigungen gegen den Rabbiner so weit; dass sie als beleidigend empfunden und vom Schriftführer der Gemeinde als unwahr zurückgewiesen wurden. Ohnehin war die Gemeinde auf Josef Beith nicht gut zu sprechen, hatte er doch Steuerschulden bei der Gemeinde, so dass er sich die Belehrung gefallen lassen musste: „Wer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, hat kein Recht, an der Führung der Gemeinde Kritik zu üben.“ Ein weiteres Eingehen auf Beiths Brief lehnte die Gemeinde ab und ließ durchblicken, dass sie nur mit Rücksicht auf seinen Vater, den langjährigen Gemeindevorsteher Benny Beith, von weiteren Maßnahmen Abstand nähme. Josef Beith, der sich ohnehin schon fühlte „wie ein Mensch, der am Boden lag“, dürfte es nach dieser Niederlage nicht besser gegangen sein. 
Mit der Geburt des Sohnes Günther am 14. Juni 1933 (auf dem Foto links neben seiner Großmutter) wechselte die Familie wiederum die Wohnung und zog in die Lübeckerstr. 121, in die Nähe des Geschäftes der Schwiegereltern Fränkel. In den Folgejahren muss Josef Beith als Hausmakler tätig gewesen sein, denn sein Name und seine Adresse waren auf dem antisemitischen NS-Flugblatt verzeichnet – ebenso die Betriebe seines Vaters, Bruders und Schwiegervaters.
1934 folgte ein weiterer Umzug, in die Löwenstr. 10. Am 23. September 1938 wurde Uri, der dritte Sohn, in Wandsbek geboren. Erika Freundlich erinnert sich an zwei Begebenheiten anlässlich seiner Geburt: Die Eltern waren gesetzlich verpflichtet, einen Namen aus einer vorgegebenen Liste auszusuchen. Die darin aufgeführten Vornamen waren bei der jüdischen Bevölkerung jedoch kaum akzeptiert, zumal biblische Vornamen ausdrücklich ausgenommen waren, da sie auch von christlichen Familien häufig verwendet wurden. Zudem belastete ein zu dieser Zeit geborener jüdischer Säugling die Familie mit dem Stigma des Namens und konnte die ohnehin schwierige Situation bis hin zur Verzweiflung zuspitzen. Auch Uris Geburt wirkte sich auf die ohnehin fragile Familiensituation entsprechend aus – wie sich Erika Freundlich erinnerte: „I remember my mother and grandmother weeping because my aunt was having another child at such a terrible time.” (Ich erinnere mich noch daran, dass meine Mutter und meine Großmutter weinten, weil meine Tante in dieser schrecklichen Zeit noch ein Kind bekommen hatte.) Wenige Wochen später sah die Familie keine Perspektive mehr für sich in Wandsbek. Nachdem jüdischen Hausmaklern zum Ende des Jahres die Berufsausübung untersagt worden war, zogen die Beiths Anfang 1939 ins Grindelviertel, Heinrich-Barth-Str. 11 III., ihre letzte Adresse vor der Deportation.
Das Hochzeitsfoto habe ich von einer früheren Hausangestellten erhalten. Als junge Frau arbeitete sie mehrere Jahre im Haushalt Hamburgerstr. 13. Sie erinnerte sich auch an eine Bespitzelung der Familie durch feindlich gesinnte Nachbarn. Möglicherweise steckten auch örtliche Ämter oder Parteiorgane dahinter, standen doch Juden generell im Verdacht ihre Auswanderung zu betreiben und Kapitalflucht zu begehen. Auswanderungsabsichten hegte Benny Beith offensichtlich noch nicht, denn noch in den 1930er Jahren hatte er das Haus komplett umbauen lassen und die Geschäftsräume von der Straßenseite in den hinteren oberen Gebäudeteil verlegt. 
Nur wenige Jahre später konkretisierten sich die Auswanderungspläne einzelner Familienmitglieder. 1937 emigrierten die Eheleute Cora und Kurt Abraham, und im Oktober 1938 folgte Siegfried Beith (in der Bildmitte stehend), auch er einst im Krieg versehrt. Die noch in Wandsbek verbliebenen Eheleute Benny und Selma Beith sahen sich nach dem Novemberpogrom 1938 weiteren Schwierigkeiten ausgesetzt. Vermögen, Betrieb und Haus gerieten ins Visier der Devisenstelle, die ihnen mit einer Sicherungsanordnung die freie Verfügung am 19. November entzog. Die Firma S.&J. Hirsch, deren Inhaber Benny Beith war und die unter seinem Vorgänger Sally Hirsch seit etwa 1875 bestanden hatte, wurde durch notariellen Akt liquidiert. 
Einige Monate später wechselte das Haus Hamburgerstr. 13 den Besitzer. Der neue Eigentümer, der Optiker Bruno Weser, wohnhaft in Wandsbek, Marienstr. 25, hatte den Kaufpreis auf Benny Beiths gesperrtes Konto einzuzahlen. Die Eheleute Beith konnten laut Verkaufsvertrag ihre Wohnung bis 30. September 1939 behalten, verließen Wandsbek jedoch schon am 7. September. Sie wohnten während der letzten Monate bis zur Auswanderung im April 1940 in der Werderstr. 43 beim Vermieter Neustadt. Ihr Umzugsgut lagerte bei der Spedition Keim, Kraut & Co. 
Benny Beith war jahrelang der Ernährer seiner großen Familie gewesen und sorgte sich weiterhin um seine Angehörigen. Das Vermögen, das er in Deutschland würde zurücklassen müssen, hätte ausgereicht, seine bedürftigen Kinder und Enkelkinder zu versorgen, aber die Behörden hatten seine Konten gesperrt und ihn zum Verkauf seines Grundbesitzes gezwungen. Doch er versuchte bis zuletzt, seine Angehörigen zu unterstützen, solange er noch im Lande war. 
So beantragte er knapp zwei Monate vor seiner Auswanderung für die Familie Josef Beith die Freigabe von 3.600 RM, und zwar – wie er darlegte, „für meine Schwiegertochter Martha Sara Beith und deren 3 Kinder, 1½ - 12 Jahre alt, und den kriegsbeschädigten Ehemann Josef Israel Beith... Die angeführten besitzen keinerlei Vermögen. Die RM 3.600,-- sind ... auf Sparbuch bei einer Bank auf Namen der o.g. Martha S. Beith anzulegen und soll dieselbe berechtigt sein, ab 1. April 1940 an jedem Monatsersten RM 150,-- abzuheben.“ Ähnlich verfuhr er mit seinem Enkel Rolf und seiner Tochter Else Salmon, deren Ehemann nur noch einen Arm hatte und lediglich eine Kriegsrente bezog. Beide Anträge wurden von der Devisenstelle am 19. März 1940 genehmigt. 
Auch vom Ausland aus scheint Benny Beith alle (eingeschränkten) Möglichkeiten genutzt zu haben, die bedrängte Lage seiner einkommenslosen Angehörigen zu mildern. Anfang Oktober 1941 fragte die Commerzbank nämlich bei der Devisenstelle an, ob ein Betrag von 150 RM in monatlichen Raten von 25 RM vom gesperrten Konto des Benny Beith seinem Enkel Harald Beith gutgeschrieben werden könne. Die Transaktion der relativ kleinen Summe hatte zuvor noch von Martha Beith als Schenkung für ihren minderjährigen Sohn angenommen werden müssen. 
Als die Devisenstelle am 11. November 1941 endlich die Genehmigung erteilte, befand sich die Familie schon 14 Tage im Getto Lodz. Bereits am 25. Oktober hatten sie den Deportationszug dorthin besteigen müssen. In der Hamburger Gestapo-Liste war Josef Beith als Arbeiter eingetragen, vermutlich ein Hinweis auf Zwangsarbeit. Die Lodzer Einwohnerliste wies ihn dagegen, wie die meisten deutschen Neuankömmlinge, mit der alten Berufsbezeichnung aus – als Kaufmann. Die Adresse im Getto lautete Franzstr. 25a, Wohnung 8. Die deutschen Juden waren bis Ende April 1942 von den Transporten in das Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno) noch ausgenommen, zwischen dem 4. und dem 15. Mai 1942 standen jedoch fast ausschließlich ihre Namen auf den Transportlisten. Dass es in den sicheren Tod gehen würde, ahnten sie noch nicht. Nachdem sich unter den Betroffenen herumgesprochen hatte, dass eine Weiterdeportation in ein vielleicht noch schlimmeres Lager zu befürchten stand, richtete Josef Beith eine Eingabe an die Verwaltung des Gettos. Mit seinem Brief vom 8. Mai 1942 versuchte er sich und seine Familie von einer „Aussiedlung“ zurückstellen zu lassen. Als Begründung legte er eine Kopie über sein Verwundetenabzeichen vor, eine Auszeichnung aus dem Ersten Weltkrieg. Ferner führte er an, dass er seit dem 22. März 1942 als Fäkalienarbeiter beschäftigt sei, also eine wenig geschätzte, gleichwohl wichtige Tätigkeit ausübte. Das Gesuch überzeugte die Kommission, die dem Antrag stattgab und ihn mit dem Stempel „berücksichtigt“ versah. Dennoch wurde die gesamte Familie zwischen dem 9. und 11. Mai 1942 ins nahe gelegene Tötungslager Chelmno deportiert. Dokumente aus erst kürzlich zugänglichen Archivbeständen, wie das Gesuch von Josef Beith, belegen, dass anders als bisher angenommen, auch der dreijährige Uri noch lebte und Lodz in Richtung Chelmno verließ. 
Wie anderen Deportierten auch wurde der fünfköpfigen Familie die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. 
Auch zwei Schwestern Josef Beiths wurden deportiert: Irma Freundlich und ihr Ehemann, der Apotheker Paul Freundlich, wurden 1942 nach Auschwitz verschleppt. Das Foto zeigt sie ganz links vorne. (Ihre Geschichte wird in der Broschüre über Hamburg-Eimsbüttel nachzulesen sein, die 2011 erscheint.) Else Salmon gelangte über das Getto Theresienstadt ebenfalls nach Auschwitz (neben ihrem Mann Emil rechts hinter dem Brautpaar stehend), ebenso wie deren Sohn Rolf (Bildmitte zwischen dem Rabbinerehepaar Bamberger).Angehörige Martha Beiths wurden ebenfalls 1941 deportiert, ihre Mutter und ihr Bruder, Ida und Max Fränkel gelangten nach Riga (s. Kap. Fränkel).Kommen wir noch einmal auf das Foto zurück: Es zeigt eine deutsch-jüdische Familie, kurz bevor sie durch die politischen Verhältnisse zerstört wurde. Weder Verdienste noch Opfer, die die Beiths wie andere Deutschen erbracht hatten – wie drei kriegsversehrte Weltkrieg-I-Teilnehmer, schützten sie. Als Juden stigmatisiert und ausgegrenzt, erlitten sie das Schicksal ihrer Glaubensgenossen. Sie waren gezwungen, ihr Land zu verlassen, einige gelangten ins sichere Ausland, andere fanden den Tod in Gettos oder Vernichtungslagern. 

Astrid Louven

English version 

Gunter Demnig verlegt die Stolpersteine für die Familie Beith, 2004 (Foto: Astrid Louven)
verlegung Beith


Bild entfernt.Bild entfernt. _____________________________________________________________

Bild entfernt.Bild entfernt. Blick in die frühere Hammer Straße (Foto Heimatmuseum Wandsbek)

hammer straße

 

 

 

         synagoge   Synagoge Wandsbek - innen (Privatbesitz)
Carla Cahn, geb. Kuh, geb. 8.9.1895
Siegmund Cahn, geb. 9.8.1888
beide deportiert am 11.7.1942 nach Auschwitz

Stolpersteine: Hammer Straße 10

Siegmund Cahn wurde am 9. August 1888 in Hamburg als Sohn von Chaim Cahn und Hanna, geb. Simon, geboren. Sein Elternhaus befand sich in der Brüderstr. 3 in der Hamburger Neustadt, einem Wohngebiet städtischer Unterschichten und kleinbürgerlicher Juden. Er hatte noch zwei jüngere Geschwister, Bertha (Jg.1891) und Selig (Jg.1892). Wie andere Juden, die Agenturen oder kleine Handelsgeschäfte in dem Quartier in Innenstadtnähe unterhielten, führte auch Cahns Vater dort einen Großhandel mit Trikotagen in Räumen im ersten Stock seines Wohnhauses. 
Die religiöse Familie war Mitglied im Synagogenverband der Deutsch-Israelitischen Gemeinde und besuchte wohl die Synagogen Kohlhöfen bzw. am Bornplatz. Siegmund Cahn entrichtete seit Einführung der Steuerkartei 1913 Kultussteuern – außer während seiner Abwesenheit im Ersten Weltkrieg. Im selben Jahr war er auch in der väterlichen Firma tätig. Zudem arbeitete er in der nahe gelegenen Kaiser-Wilhelm-Str. 85 im Holstenhof, einem Geschäftshaus mit verschiedenen Agenturen und Firmen. Verheiratet war er mit Else, geb. Lievendag. Die Ehe wurde geschieden. 
Während dieser Zeit hatte er ein Bankgeschäft eröffnet, das er ebenfalls in der Brüderstr. 3 betrieb. Inzwischen war er wieder verheiratet, mit der aus Altona stammenden Carla, geb. Kuh. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: der Sohn Erich (Jg.1922) und die Tochter Hannelore (Jg.1923). Die Familie lebte am Mundsburgerdamm 35. Siegmund Cahns Bankgeschäft befand sich nun in der Schubertstr. 6. Mitte der 1920er Jahre – so zeigen die unregelmäßigen Gemeindesteuern – schwankte sein Einkommen erheblich. Dies änderte sich erst in den 1930er Jahren wieder, als die Familie in den Grindelhof 64 zog. Im Grindelviertel ergaben sich für Cahn, der offenbar stets noch ein zusätzliches Einkommen benötigte, in den gemeindeeigenen Kultuseinrichtungen Möglichkeiten, nebenberuflich als Kantor tätig zu werden. 
Zur selben Zeit suchte auch die Jüdische Gemeinde Wandsbek einen Kantor und Hilfsvorbeter. Übergangsweise übten der Hilfskantor Gustav Bleiweiß und danach der Kantor P. J. Schapira das Amt aus. Auf das Stellengesuch im viel gelesenen „Israelitischen Familienblatt“ gingen etwa 60 Bewerbungen aus ganz Deutschland ein. Der Gemeindevorsteher Benny Beith und Rabbiner Simon Bamberger entschieden sich für Siegmund Cahn. Er erfüllte offenbar die Kriterien für eine nebenberufliche Anstellung besser als andere Bewerber, von denen viele nicht in der Hamburger Region lebten, zwar gerne in Großstadtnähe gewirkt, aber von der Nebentätigkeit allein nicht hätten leben können. 
Anfang 1934 trat Cahn sein Amt in Wandsbek an und bezog zunächst eine Wohnung in der Lübeckerstraße, ab 1935 wohnte er in der Hammerstr. 10, vermutlich zusammen mit seiner Familie. Das Haupteinkommen verdiente er sich nun als Handelsvertreter. Ab 1935 war er wieder in der Lage, Gemeindebeiträge zu entrichten, was auf eine Konsolidierung der finanziellen Verhältnisse schließen lässt. 
Siegmund Cahn begleitete die Wandsbeker Gemeindemitglieder vier Jahre lang als Kantor während der Gebetszeiten und Gottesdienste, die entweder in der Synagoge Langereihe selbst oder in der daneben gelegenen sogen. Wochentagssynagoge stattfanden, die für kleinere Zusammenkünfte genutzt wurde. 
Zum 1. Januar 1938 endete die Selbständigkeit der Jüdischen Gemeinde Wandsbek infolge des zwangsweisen Zusammenschlusses der jüdischen Gemeinden der Hamburger Region zum Jüdischen Religionsverband (JRV) anlässlich des Groß-Hamburg-Gesetzes. Der Vertrag zwischen der Hamburger und der Wandsbeker Gemeinde vom 26. Oktober 1937 regelte die Übernahme der Gemeindeverwaltung und des Kultus und die Stellung der Gemeindebeamten. So wurde Siegmund Cahn als Kantor nach Hamburg übernommen. 
Er war nun in der Gemeinde-Synagoge Beneckestraße eingesetzt und bezog ein Jahresgehalt, das unter 600 RM gelegen haben soll. Anfang 1938 zog er mit seiner Familie für kurze Zeit in die Rothenbaumchaussee 22, einen Monat später in die Isestr. 30. Zu seinem Haushalt gehörte u.a. eine Bibliothek mit Judaica, deutschen Klassikern und Musikalien, die etwa 500 Teile umfasste. 
Der Sohn Erich besuchte die Talmud-Tora-Realschule im Grindelhof, musste seine Ausbildung in der Untersekunda abbrechen, da er, wie seine Mutter der Devisenstelle mitteilte, „als Schüler mit dem Kindertransport im Dezember (1938) nach England kam. Er hat nur die vorgeschriebene Kleidung in kleinem Handkoffer mitgenommen.“
Die Tochter Hannelore wurde ebenfalls i1938 außer Landes in Sicherheit gebracht. Sie gelangte über Holland später mach New York. 
Auch die Eltern trugen sich anscheinend mit Auswanderungsabsichten. Denn auf der Kultussteuerkarte ist unter der Rubrik „ausgeschieden“ vermerkt: März 39 Belgien/USA. Doch dazu kam es nicht, die Hintergründe sind uns nicht bekannt. 
Carla und Siegmund Cahn lebten nun allein und fristeten ihr Dasein in immer beengteren und bescheideneren Verhältnissen. Siegmund Cahn ging keiner Erwerbstätigkeit mehr nach, er befand sich mit Anfang 50 bereits im Ruhestand. Er zahlte jedoch jeden Monat Gemeindebeiträge, die nach und nach auf ein Minimum sanken, was die prekäre Lage verdeutlicht. 
Anfang 1942 mussten die Eheleute noch einmal umziehen, zur Untermiete in ein sogen. Judenhaus in der Dillstr. 15, ihre letzte Adresse. Von dort wurden sie am 11. Juli 1942 nach Auschwitz deportiert, wo sich ihre Spur verliert.
1956 stellte der Sohn einen Antrag beim Amt für Wiedergutmachung. Erich Cahn lebte zu diesem Zeitpunkt in Southport/England, war verheiratet und hatte zwei Kinder. Er befand sich in der Ausbildung zum Rabbiner und war Reverend an der Southport New Synagogue. Die Stelle hatte er nur erhalten unter der Voraussetzung, dass er weiterstudieren und einen Universitätsabschluss erlangen würde. Dieses Ziel konnte er aus Geldmangel jedoch nicht ohne Unterstützung erreichen. Deshalb beantragte er eine Entschädigung für entgangene Ausbildungsmöglichkeiten. Ende der 1960er Jahre übersiedelte Erich Cahn nach Australien, wo eine Cousine von ihm bereits lebte. Gedanken an die Deportation und Ermordung seiner Eltern, insbesondere an seinen Vater, ließen ihn nie los. 1999 stellte er ein Gedenkblatt mit ihren Namen auf die Website der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Einen Kontakt zu ihm konnte ich nicht mehr herstellen. Erich Cahn, der zeitlebens als Rabbiner gewirkt hatte, starb 2006 in Australien. 

Astrid Louven 
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Bild entfernt.Bild entfernt.
Auszug aus: Jahrbuch f.d. jüd. Gemeinden 1938/39


 

Bild entfernt.Bild entfernt.
In einem ähnlichen Haus lebte die Familie Cohn; heutige Ansicht.

Pauline Cohn, geb. Schachna, geb. 14.7.1861, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, dort verstorben am 1.4.1944
Hedwig Cohn, geb. 21.3.1887, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, ermordet am 1.2.1943 in Auschwitz
Hans-Werner Cohn, geb. 27.3.1927, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, ermordet am 1.2.1943 in Auschwitz

Stolpersteine: Dorfstücken 2 (Albertstr. 1)

Die drei Stolpersteine für die Familie Cohn liegen etwas abseits in einem Quartier, das noch an die alte Bebauung Hinschenfeldes erinnert. Das nicht mehr existierende Haus Albertstr. 1, in dem die Cohns lebten, befand sich auf dem heutigen Fabrikgelände und war laut Adressbucheintrag Teil einer stadteigenen größeren Wohnanlage. Die kleinen Reihenhäuser verfügten über drei Räume und eine Küche. 
Die Familie Cohn stammte aus der preußischen Provinz Posen, die nach dem Ersten Weltkrieg infolge des Versailler Vertrages in den polnischen Staat eingegliedert worden war. Viele ortsansässige Deutsche dort wurden in den Jahren 1920 bis 1929 von der polnischen Regierung enteignet; zudem sollte ihnen die polnische Staatsbürgerschaft nicht erteilt werden. Daraufhin kehrte ein Großteil der Deutschen ihrer Heimat den Rücken. 
Die Cohns hatten Posen 1925 verlassen und in der Albertstraße eine neue Bleibe gefunden. In dem Reihenhaus lebten drei Generationen. Pauline Schachna war die Tochter von Koppel Schachna und dessen Ehefrau Berta, geb. Nathan. Sie wurde am 14. Juli 1861 in Rostazewo geboren. 1883 hatte sie Sigismund Cohn geheiratet, der bereits im Jahre 1905 in Krotoschin verstorben war. Die Eheleute bekamen zwischen 1885 und 1905 einen Sohn und fünf Töchter: Regina, Hedwig, Seraphine, Erna und Käthe. Außer Erna waren alle 1925 nach Deutschland gekommen. Der einzige Sohn hatte als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teilgenommen und war gefallen. Die Trauer um ihn war in der Familie gegenwärtig, besonders in den Wochen vor seinem Geburtstag am 18. August litt seine Mutter besonders. 
Pauline Cohn lebte in der Albertstraße mit ihrer am 21. März 1887 in Wollstein geborenen zweitältesten Tochter Hedwig zusammen. Diese hatte eine Tochter: Irmgard Cohn war am 20. Juli 1920 in Krotoschin geboren worden. Am 27. März 1927 bekam die unverheiratete Hedwig Cohn noch ein zweites Kind, den Sohn Hans-Werner. 
Pauline Cohn war eine lebenserfahrene, etwas strenge Frau, die viel durchgemacht hatte. Gefragt, warum sie nach dem Tod ihres Mannes nicht wieder geheiratet hatte, antwortete sie, es unterlassen zu haben, da nicht sicher sei, ob sie einen guten Vater für ihre Kinder bekäme. Während sie nun in Hinschenfelde den Haushalt versah und die Enkelkinder betreute, sorgte Hedwig Cohn, die vormals als Filialleiterin tätig gewesen war, für den Lebensunterhalt. Bis 1932 war sie als Vorarbeiterin bei einer Kakaofirma beschäftigt, die personell mit der früheren Schokoladenfabrik Reichardt verbunden war. Dann wurde die Firma geschlossen. Als Jüdin konnte Hedwig Cohn keine adäquate Stellung mehr finden und sah sich gezwungen, Pflicht- bzw. Zwangsarbeit zu leisten. Von etwa 1938 bis zur Deportation war sie bei der Wollkämmerei in Hamburg-Bahrenfeld zwangsverpflichtet, wo sie einer sogen. Judenkolonne zugeteilt und von anderen Arbeitskräften abgesondert beschäftigt wurde. 
Es gelang der Familie nur unter Schwierigkeiten über die Runden zu kommen. Hedwig Cohn verdiente 1940 gerade einmal 18 RM pro Woche brutto und musste davon noch ihren Sohn und ihre Mutter unterstützen, deren Hinterbliebenenrente 35 RM monatlich betrug. Der Rentenanteil, den sie für ihren gefallenen Sohn erhielt, wurde ihr nach dem Machtwechsel 1933 gestrichen. 
Die Familie war Mitglied der Jüdischen Gemeinde Wandsbek gewesen und gehörte nach der Zusammenlegung der Jüdischen Gemeinden 1938 dem Jüdischen Religionsverband an. Pauline und Hedwig Cohn konnten wegen ihres geringen Verdienstes jetzt keine Gemeindesteuern mehr entrichten.
Der Sohn Hans-Werner Cohn war von Ostern 1933 bis Ostern 1941 schulpflichtig. Er besuchte die nahe gelegene Hinschenfelder Volkschule. Wann genau er zur Talmud Tora Realschule wechselte, konnte nicht geklärt werden. Er ging dort allerdings ab, bevor die Schule am 30. Juni 1942 geschlossen werden musste. 
Die Tochter Irmgard hatte bis Ostern 1936 ebenfalls die Volksschule in Wandsbek besucht. Danach begann sie eine Lehre als Putz- und Verkaufslehrling bei der Firma Stern, die Hüte und Dekorationen herstellte. Nach Beendigung der Ausbildung beschäftigte die Firma sie weiter. Irmgard Cohn war häufiger Ziel antisemitischer Anfeindungen: Ein Lehrer in der Berufsschule diskriminierte sie als Jüdin, so dass sie schließlich der Schule fernblieb. Die Nachbarn in der Albertstraße waren nicht besser. Sie klopften an die Fenster und riefen „Jüdin“ oder andere Schimpfwörter. Ferner war ihrem Verlobten auf der Straße vorgehalten worden, dass er sich als Soldat mit einer Jüdin verlobt habe. Dabei waren die Aussichten, eine Ehegenehmigung zu erhalten, gleich Null. Ferner verbot ihr der Vater einer Freundin den Kontakt zu seiner Tochter. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Im Februar 1942 wurde Irmgard Cohn von der Gestapo festgenommen und ins KZ Fuhlsbüttel verbracht. Ihr Vergehen: Sie hatte dagegen protestiert, den „Judenstern“ tragen zu müssen, nur weil sie im Haushalt ihrer „volljüdischen“ Mutter lebte. In ihrer Begründung gab sie an, ihr leiblicher polnischer Vater sei kein Jude, sondern Christ gewesen, sie selbst somit „Halbjüdin“. Die Gestapo überprüfte die Angaben und zog Erkundigungen ein. Man glaubte ihr schließlich, denn am 13. März 1942 wurde sie entlassen. Mithilfe eines Onkels erreichte sie, dass sie am 16. Juni 1942 als „Mischling 1. Grades“ anerkannt wurde. Der neue Status rettete ihr das Leben, denn sie wurde nicht deportiert – wie ihre Angehörigen etwa einen Monat später. 
Während Irmgard Cohn inhaftiert war, hatte ihre Familie die Wohnung in der Albertstraße räumen müssen und zog nun ins Gumpel-Stift, das sich in der Schlachterstraße in der Hamburger Neustadt befand. Die alte Wohnung in der Albertstraße war nebst Mobiliar von den Behörden beschlagnahmt und versiegelt worden.
Am 19. Juli 1942 folgten Pauline, Hedwig und Hans-Werner Cohn dem Deportationsbefehl. Sie verließen die Schlachterstr. 40/42 bzw. 46/47 und fanden sich mit ihrem Gepäck in der Sammelstelle Schule Schanzenstraße 120 ein. Irmgard Cohn wollte ihre Angehörigen noch einmal sehen, obwohl das verboten war. Einen Tag vor ihrem 22. Geburtstag stand sie vor dem Eingang der Turnhalle und überredete den Türsteher, einen ihr bekannten Gestapo-Mann aus Wandsbek, sie hineinzulassen. Sie traf ihre Angehörigen und auch einige Nachbarn, die sie von Besuchen in der Schlachterstraße kannte. In der Verzweiflung des nahenden Abschieds fragte Irmgard Cohn ihre Mutter, warum sie nicht alle gleich Selbstmord begangen hätten. Unausgesprochen stand ihre Annahme im Raum, die Verwandten würden ohnehin in den Tod geschickt. Ihre Mutter erwiderte, um die Tochter nicht weiter zu beunruhigen, dass sie in Theresienstadt nur würden arbeiten müssen. Irmgard Cohn blieb skeptisch, sie fürchtete, ihre Angehörigen nicht mehr wiederzusehen. 
Noch am selben Tag musste die Familie den Zug nach Theresienstadt besteigen, wo ihre Ankunft am 20. Juli registriert wurde. Etwa sechs Monate später, am 29. Januar 1943, wurden Hedwig Cohn und ihr Sohn Hans-Werner nach Auschwitz weiterdeportiert, wo sie am 1. Februar 1943 ermordet wurden.
Pauline Cohn blieb im Getto Theresienstadt zurück. Sie starb dort am 1. April 1944. Ihre Tochter Seraphine, ebenfalls dorthin deportiert, war bei ihr und konnte den Tod ihrer Mutter nach der Befreiung bezeugen. 
Bei Kriegsende hielt sich Irmgard Cohn in der Nähe von Prag auf und schlug sich nach Hamburg durch, das sie im November 1945 erreichte.
Nun begann das Warten auf die erhoffte Rückkehr ihrer Angehörigen aus den Konzentrationslagern. Doch nur ihre Tante Seraphine hatte überlebt. Irmgard Cohns Mutter und Großmutter, ihr Bruder und eine ihrer Tanten waren Opfer des Holocaust geworden. Ihre Mutter und ihre Tante Regina wurden in den 1950er Jahren rückwirkend auf den 8. Mai 1945 für tot erklärt.

Astrid Louven 
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Stolpersteine für Familie Cohn, Dorfstücken


 

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Königstr. in Wandsbek mit früherem Rathaus, der Dienststelle Gustav Delles (Heimatmus. Wandsbek)

Gustav Delle, geb. 20.9.1880, 1933 Haft im KZ Fuhlsbüttel, 1944 Haft im KZ Neuengamme, an den Folgen der Haft am 25.4.1945 verstorben.

Stolperstein: Schlosstrasse 60 (Bezirksamt Wandsbek)

Der Kommunalpolitiker Gustav Delle ist der einzige in dieser Broschüre vorgestellte nichtjüdische politisch Verfolgte. Er wurde 1933 wegen seiner SPD-Zugehörigkeit als politisch untragbarer Oppositioneller inhaftiert, aus dem Dienst entfernt und schließlich ins KZ Neuengamme verbracht.
Am 20. September 1880 im württembergischen Botnang/Kreis Stuttgart geboren, ergriff Gustav Delle nach seiner Schulzeit den handwerklichen Beruf des Malers. Er heiratete die gleichaltrige Luise, geb. Nobes, die ebenfalls aus dem Württembergischen stammte. 1905 wurde die Tochter Grete geboren, die noch zwei Geschwister bekam: Hans und Hilde. 1911 trat Delle in die SPD ein. 1913 zog die Familie laut Meldekarte von Stuttgart nach Wandsbek-Gartenstadt, in die Erikastr. 34, wo sie bis 1916 lebte. Nach weiteren zehn Jahren in der Rosenstr. 71 bezog sie in der Bramfelderstr. 168 vermutlich ein eigenes Haus, das sie bis 1934 bewohnte. 

Gustav Delles Karriere entwickelte sich stetig: Er war Stadtverordneter, seit 1919 hatte er die Position eines besoldeten Stadtrats und Dezernenten für das Wohlfahrtswesen in Wandsbek inne. In diesem Amt erwarb er hohes Ansehen, war gleichermaßen kompetent, arbeitsam und beliebt. 1931 kandidierte er erfolgreich zum Zweiten Bürgermeister der Stadt Wandsbek.

Unmittelbar nach der Machtübernahme begannen die Nationalsozialisten damit, die Opposition auszuschalten und Ämter und Positionen mit eigenen Leuten zu besetzen. Das bekam auch Delle zu spüren, der am 6. März 1933 zusammen mit drei weiteren Wandsbeker Sozialdemokraten festgenommen und als sogen. Schutzhäftling 14 Tage im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert war. Auch Delles Schwiegersohn wurde 1933 aus dem Dienst bei der Stadt Wandsbek wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ entlassen.
Als Ende April 1933 der Zweite Bürgermeister gewählt werden sollte, wurde die SPD übergangen und dem NSDAP-Kreisleiter Eggers die Position zugeschoben. Da Gustav Delle jedoch (noch) nicht aus dem Amt entlassen war, suchte man nach einem Vorwand, ihn mit juristischen Tricks, sozusagen unehrenhaft, aus dem Dienst zu jagen. Die Federführung übernahm dabei Oberbürgermeister Ziegler. Dieser war jahrelang Zweiter Bürgermeister gewesen, bis er 1931 die Nachfolge des Oberbürgermeisters Rodig angetreten hatte – mit Unterstützung der SPD. Ziegler hatte den Machtwechsel unbeschadet überstanden. Bei der Entlassung Delles demonstrierte der Jurist bereits nationalsozialistische Gesinnung. Er setzte den Hebel beim berüchtigten Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums an. Allerdings wählte Ziegler die falsche Begründung, nämlich Paragraph 2. Dieser sah eine Entlassung ohne Ruhegeld vor, wenn bei dem betreffenden Mitarbeiter mangelnde Vorbildung oder Eignung für das Amt vorlag. Das traf auf Gustav Delle jedoch nicht zu, weshalb das preußische Innenministerium in die Angelegenheit eingriff und Einspruch gegen die Begründung erhob. Die Stadt Wandsbek wurde verpflichtet, Delle eine Pension zu zahlen. In der Zurückweisung des Ziegler’schen Ansinnen hieß es, Delles Lauterkeit der Gesinnung und Handlungen, seine einwandfreie Amtsführung und die in 13 Jahren für die Stadt erbrachten Leistungen seien nicht in Zweifel zu ziehen. 
Derart belehrt, wandte der Oberbürgermeister nun Paragraph 4 des o.g. Gesetzes an. Danach war derjenige zu entlassen, dessen bisherige politische Betätigung nicht die Gewähr dafür bot, jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat einzutreten. 
Der Fall Delle und die Art und Weise, wie mit ihm umgegangen wurde, ließ einige Wandsbeker mit intakten Rechtsgefühl nicht zur Ruhe kommen. 1934 machte der langjährige frühere Oberbürgermeister Rodig noch einen Versuch und setzte sich für Delles Wiederverwendung im Staatsdienst ein. In seinem Brief an den preußischen Innenminister bescheinigte er Delle hervorragende fachliche Fähigkeiten und die Kunst, bei aller Liebenswürdigkeit das Höchstmögliche an Arbeitsleistung von Untergebenen herauszuholen, wobei sich bewährt habe, dass er aus einem Handwerksberuf käme. 
Rodigs Bemühungen blieben nicht nur erfolglos, sie riefen eine höhnische Gegenstellungnahme von Oberbürgermeister Ziegler hervor. Darin hieß es: „Falls Bürgermeister a.D. Delle sich zur Mitarbeit in der Wohlfahrtspflege in seinem jetzigen Wohnort Ahrensburg zur Verfügung stellen will, ist ihm hierfür in der von der NS-Volkswohlfahrt betreuten Winterhilfe reichlich Gelegenheit geboten.“ 
Das aufgeheizte politische Klima, das seine Entlassung begleitete, zwang Delle 1935, seinen langjährigen Wirkungskreis Wandsbek zu verlassen. Er zog mit seiner Familie nach Ahrensburg
, Am Tiergarten 16, wo sie das Obergeschoss mit drei Zimmern bewohnten. Das Haus hatte Delle mit Vorkaufsrecht gepachtet, es bestand der Plan, es später zu kaufen.
1944, nach dem gescheiterten Hitler-Attentat vom 20. Juli, wurden im Zuge von reichsweiten Razzien und Verhaftungswellen, der sogen. Aktion Gewitter, auch frühere Oppositions-Politiker inhaftiert. Gustav Delle wurde am 22. August 1944 an seinem Wohnort festgenommen. Der Chef der Gemeindepolizei Gramm und der Polizist Claussen übergaben ihn der Gestapo, die Delle am 27. August ins KZ Neuengamme einwies. Dort musste er sich Experimenten mit reinem Salicyl unterziehen, dem Wirkstoff des Schmerzmittels Aspirin. Bei höheren Dosierungen und längerfristiger Einnahme konnten Magenbeschwerden und Magenblutungen auftreten. Die Nebenwirkungen führten dazu, dass sich ein bereits vorhandenes Magenleiden Delles verschlechterte. Zudem führten ihn körperliche Misshandlungen an den Rand des Zusammenbruchs. Aufgrund der Intervention eines Bekannten, der ihn schätzte, wurde er am 1. November 1944 aus dem KZ entlassen. Es war jedoch schon zu spät. Gustav Delle erholte sich nicht mehr. Er starb am 25. April 1945 in Bad Oldesloe. 
Der SPD-ler Heinrich Wichelmann gehörte zu Delles Weggefährten aus der Wandsbeker Zeit. Auch er war 1933 verhaftet worden. Nach dem Krieg arbeitete er als Redakteur des Hamburger Echos, der von der SPD herausgegebenen Tageszeitung. 1955 veröffentlichte er eine Würdigung Delles zum 10. Todestag.
Delles Arbeitsplatz, die städtische Verwaltung des Magistrats Wandsbek, hatte sich im Wandsbeker Rathaus an der Königstraße 12 (Wandsbeker Königstraße) befunden, ebenso wie die Diensträume der beiden Bürgermeister Rodig und Ziegler. Es bestand also eine langjährige Zusammenarbeit nicht nur mit Delles Befürworter Rodig, sondern auch mit dessen Nachfolger Ziegler. Doch seit März 1933 galten frühere Allianzen nichts mehr. 
Da das damalige Rathaus nicht mehr existiert, wurde der Stolperstein für Gustav Delle direkt vor dem Eingang des Bezirksamtes Wandsbek, Schlossstr. 60 verlegt.

Astrid Louven 

English version 
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Gustav Delle

Ida Fränkel, geb. Ehrlich, geb. 12.05.1878, deportiert am 6.12.1941 nach Riga
Max Fränkel, geb. 23.06.1910, 1938/39 Haft im KZ Sachsenhausen, am 6.12.1941 deportiert nach Riga.

Stolpersteine: Schlossstraße 108a (Schlossstr. 2c)

Der Kaufmann Jacob Fränkel war als Einzelhändler auf Bekleidung spezialisiert und wie andere Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Wandsbek aus der Provinz zugezogen. 1903 hatte er die Firma Gebr. Behr übernommen, ein in der Lübeckerstr. 54 (Wandsbeker Markstr. 165) gelegenes Geschäft für Herrenkonfektion und Schuhwaren. 
Er stammte aus Obbach in Franken, wo er am 5. Januar 1874 als Sohn von Moses Fränkel und Babette Adler zur Welt kam. Verheiratet war er mit der am 12. Mai 1878 in Bamberg geborenen Ida Babette, geb. Ehrlich. Die Eheleute bekamen drei Kinder, die in Wandsbek geboren wurden, aufwuchsen und die Schule besuchten: die Töchter Martha (Jg.1905) und Hertha (Jg.1906) und am 23. Juni 1910 den Sohn Max. Die Familie wohnte Freesenstr. 10, später Schillerstr. 2. In späteren Jahren zogen sie in die Schlossstr. 2c ptr. Als Jacob Fränkel ab 1915 als Kriegsteilnehmer abwesend war, führte Ida Fränkel das Geschäft weiter.
Jacob Fränkel betätigte sich in der Jüdischen Gemeinde Wandsbek, 1910 als stellvertretender Vorsteher und Mitglied des Israelitischen brüderlichen Hilfsvereins. Dessen Zweck bestand darin, bedürftige Gemeindemitglieder bei Krankheit durch kostenlose ärztliche Behandlung und Medikamente zu unterstützen. In den 1930er Jahren fungierte Fränkel auch als Synagogenvorsteher, nachdem ein Großteil der Gemeindemitglieder bereits ins Ausland emigriert oder nach Hamburg verzogen war. Zurück blieb ein kleiner Kreis aktiver Gemeindemitglieder, die reihum verschiedene Aufgaben übernahmen.
Die Heirat der Tochter Martha Fränkel mit Josef Beith, dem zweitjüngsten Sohn des Hausmaklers und Gemeindevorstehers Benny Beith 1927, verband nicht nur die beiden Familien enger, sondern trug zu einer zunehmend familiären Atmosphäre innerhalb der Gemeindeverwaltung bei. (s. Kap. Beith). 1931 heiratete auch die Tochter Hertha, allerdings blieb sie nicht in Wandsbek wie ihre Schwester, sie lebte mit ihrem Mann in Tilsit/Ostpreußen. Bis zu ihrer Heirat arbeitete sie im elterlichen Geschäft, danach übernahm ihr Bruder Max ihre Stellung. 
Der Machtantritt der Nationalsozialisten belastete das Gefüge des Zusammenlebens in Wandsbek. Das Bekleidungsgeschäft Gebr. Behr war Opfer des Boykotts im April 1933, der den Niedergang des gut eingeführten Unternehmens einleitete – wie Jacob Fränkel in Briefen an seine Tochter Hertha darlegte. 
Hertha Winster, geb. Fränkel, hat als einzige ihrer Familie überlebt. Ihr, ihrem Mann Leo und ihren beiden Töchtern gelang die Auswanderung nach Shanghai und später in die USA. In eidesstattlichen Versicherungen an das Amt für Wiedergutmachung beschrieb sie die Verfolgung ihrer Eltern und Geschwister in Wandsbek: „Mein Vater betrieb in Wandsbek ein gut gehendes und gut angesehenes Geschäft in Herrenkleidung, Arbeiterkleidung, Mützen etc. und Schuhen für Herren, Damen und Kinder. Das Geschäft war in einem Laden mit zwei Schaufenstern und guter Einrichtung untergebracht und beschäftigte vor 1933 drei Angestellte. Ich ... hatte u.a. auch die jährlichen Bilanzen und Inventuren zu machen. Nach meiner Erinnerung betrug der ... Jahresnutzen (Gewinn A.L.) mindestens 12.000 Mark.“
Mitte der 1930er Jahre fanden sich Firma und Name des Inhabers auf dem antisemitischen Hetz-Flugblatt verzeichnet, das von der Wandsbeker NSDAP in Zusammenspiel mit der örtlichen Verwaltung in Umlauf gebracht wurde, um „arische“ Kunden abzuschrecken und jüdische Geschäftsinhaber zu verunsichern. Fränkels Situation verschlechterte sich zunehmend, wenn auch das Geschäft noch weiter bestehen konnte.
Doch im November 1938 änderte sich die Lage bedrohlich. Der Geschäftsinhaber und sein Sohn Max wurden verhaftet – wie zahlreiche jüdische Männer infolge des Pogroms – und ins KZ Sachsenhausen eingewiesen. Dort wurden sie im Verwaltungsbüro der politischen Abteilung registriert, fotografiert und einem Häftlingsblock zugeteilt. Max Fränkel verbrachte seine Haftzeit in Block 20, sein Vater in Block 60. Jacob Fränkel blieb bis zum 6. Dezember 1938, sein Sohn bis zum 11. Januar 1939 inhaftiert. Beide wurden nach Hamburg zurücküberführt. 
Nach seiner Haftentlassung blieb Max Fränkel weiterhin unter der Beobachtung der Gestapo, wobei ihm offenbar nahegelegt worden war, möglichst schnell auszuwandern – eine durchaus übliche Praxis, besonders oft angewandt gegenüber vermögenden Juden. Das Finanzamt Wandsbek teilte der berüchtigten Gestapo-Dienststelle mit Sitz Stadthausbrücke am 14. Januar 1939 mit, dass Max Fränkel kaufmännischer Angestellter bei der Firma Behr sei. Er beabsichtige nach eigenen Angaben, ins Ausland – nach Peru zu gehen. Eine Vermögenserklärung liege nicht vor, und bestehe auch keine Pflicht zur Abgabe. Dieser Hinweis konnte wohl nur bedeuten, dass Max Fränkel kein Vermögen besaß. Nachdem er jedoch die Auflösung seiner Lebensversicherung bei der Devisenstelle beantragt hatte, wurde diese tätig und lud ihn vor. Ob Max Fränkels Auswanderungspläne aus finanziellen oder anderen Gründen scheiterten, ist nicht dokumentiert.
Von den rund 2200 RM, die Max Fränkel als Vermögen angab, bestanden etwa 1700 RM als Darlehen, das er noch von der Firma Gebr. Behr zu bekommen hätte. „Da die Firma sich jedoch in Liquidation befindet, ist es unbestimmt, ob das Geld zur Auszahlung gelangt“, heißt es in der Akte. Damit war seine Forderung gegenstandslos geworden und sein Vermögen hatte sich auf rund 500 RM reduziert.
Im Januar 1939 besuchte Hertha Winster ihre Familie von Ostpreußen aus in Wandsbek. Das Geschäft, das Jacob Fränkel 35 Jahre lang geführt hatte, war mittlerweile zwangsweise geschlossen worden. Die Schlüsselgewalt für die Räume lag nach Angaben der Tochter bei zwei Beamten, die beauftragt waren, die Lagerbestände zu verkaufen. Jedem der Abwickler soll ein Entgelt von 1400 RM gezahlt worden sein. Im März 1939 hatten sie die Ware verkauft und die Liquidation der Firma abgeschlossen. „Mein Vater beklagte sich, dass alles zur Hälfe des Wertes verschleudert worden sei. Ich weiß nicht, wie hoch der erzielte Betrag nach Abzug der Schulden und Einkassierung evtl. Außenstände gewesen ist, ich weiß nur, dass mein Vater den noch gebliebenen Überschuss niemals ausgezahlt erhalten hat. Ich weiß auch nicht, ob von diesem Betrag Sonderabgaben gezahlt oder eingezogen worden sind“, hielt Herta Winster schriftlich fest 
Es ist davon auszugehen, dass auch die Familie Fränkel zu erheblichen Abgaben und wahrscheinlich auch der „Sühneleistung“ herangezogen wurde, die der jüdischen Bevölkerung nach dem Novemberpogrom kollektiv auferlegt worden war. 
1939 mussten sie zudem den Familienschmuck und für religiöse Zwecke genutzte Silbersachen zwangsweise abliefern. Die ehemals gut situierte Familie fristete ein zunehmend armseligeres Dasein. Dazu passte auch der Umzug aus der Schlossstraße in eine kleinere Wohnung im Hamburger Grindelviertel. Am 24. bzw. 25. Juli 1939 meldeten sich die Eltern und ihr Sohn Max zur Heinrich-Barth-Str. 17 ptr. ab. Zurück blieb der Großteil der wertvollen Wohnungseinrichtung von geschätzten 5.000 RM.
Im April 1940 suchte Jacob Fränkel seinerseits bei der Devisenstelle um die Auszahlung einer kleinen Lebensversicherung nach. Sofort erging eine Sicherungsanordnung gegen ihn. Dabei verfügte er kaum noch über Bargeld. Aber als ehemals erfolgreicher jüdischer Geschäftsmann war er immer noch verdächtig, evtl. vorhandenes Vermögen an den Behörden vorbei ins Ausland zu schleusen. Als Freibetrag für den Lebensunterhalt seiner Familie beantragte er nun 80 RM zuzüglich 55 RM für Miete. Eine Vermögensaufstellung reichten die Fränkels nicht ein, vielmehr erklärten die Eheleute im Mai 1940: „Irgend welche Einnahmen haben wir nicht.“ 
Im August 1939 begann die Zeit der Abschiede: Hertha Winster und ihre Familie wanderten am 25. August aus, wenige Tage vor Kriegsbeginn. Am 25. April 1941 starb Jacob Fränkel. Auf den Tag genau sechs Monate später verließen die Tochter Martha Beith, ihr Mann und die drei Kinder Hamburg, die im benachbarten Haus Heinrich-Barth-Str. 11 gewohnt hatten. Sie wurden ins Getto Lodz deportiert und im Todeslager Chelmno ermordet. (s. Kap. Beith). 
Am 6. Dezember 1941 mussten auch Ida und Max Fränkel den Deportationszug besteigen. In Riga-Jungfernhof verliert sich ihre Spur. Ihr restliches Vermögen wurde kurz danach eingezogen. 
Ida Fränkel wurde auf den 8. Mai 1945 für tot erklärt. Von ihren deportierten Kindern und Enkelkindern überlebte niemand. Nur ihre gerade noch rechtzeitig emigrierte Tochter Hertha konnte Zeugnis ablegen vom Familienleben in Wandsbek. 
Die Stolpersteine vor der Schlossstr. 108a weisen eine Besonderheit auf: Sie befinden sich vor einem Haus, das zu Zeiten der Familie Fränkel bereits existierte und dessen Charakter weder durch Bomben noch durch größere Sanierungsmaßnahmen verändert wurde, nahezu eine Rarität in Wandsbek.

Astrid Louven 
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Schlossstr. 108 a

Irma Freundlich, geb. Beith, geb. am 20.6.1896 in Berlin, deportiert am 11.7.1942 nach Auschwitz
Paul Freundlich, geb. am 6.8.1879 in Gnesen, deportiert am 11.7.1942 nach Auschwitz

Stolpersteine in Eimsbüttel: Fruchtallee 27-29/Ecke Vereinsstraße

Im Dezember 1909 unterschrieb der 30jährige Apotheker Paul Freundlich im Beisein seines zukünftigen Schwiegervaters Philipp Simon den Kaufvertrag für zwei Grundstücke in Eimsbüttel. Damit gelangte er in den Besitz der seit 1879 in einem Neubau an der Fruchtallee, Ecke Vereinsstraße bestehenden Hansa-Apotheke. Ende März 1910 erfolgte seine Aufnahme in die Matrikel der Apotheker. Am 10. April 1910 wurden Apotheke und Gebäudegrundstücke von den beiden Vorbesitzern, den Apothekern und Firmeninhabern Carstens und Hoth, an den neuen Inhaber übergeben.
Zu diesem Zeitpunkt ahnte dieser wohl nicht, dass die Übereignung des Betriebes an ihn – den ersten jüdischen Inhaber – Verdrängungsversuche vonseiten der Nachbarn, Mitbewerber und Behörden mobilisieren würde. 
Paul Freundlich war am 6.8.1879 als Sohn von Moritz Freundlich und Dorothea Sara, geb. Lewinsohn, in Gnesen in der Provinz Posen geboren worden. Er hatte in Breslau studiert und seine praktische Ausbildung in Frankfurt am Main absolviert, und war im April 1909 nach Hamburg gezogen. Am 18. Februar 1910 heiratete er die jüdische Hamburgerin Erna Betty Simon (1887). In den folgenden Jahren wurden drei Töchter geboren: Ingeborg (1911), Hildegard (1913) und Gerda (1914). 
Im Ersten Weltkrieg diente Paul Freundlich als Offizier in einem Lazarett an der Front in Belgien. Er wurde verwundet und mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. 1915 erwarb die Familie die hamburgische Staatsangehörigkeit und bekannte sich damit zur Hansestadt zugehörig, die sich im Gegenzug zum Schutz ihrer Staatsbürger verpflichtete. 
Die Wohnung der Familie lag in den beiden oberen Stockwerken der Fruchtallee 27 und war durch einen Eingang neben der Apotheke zu erreichen. Im Erdgeschoss befand sich die Apotheke mit dem Laboratorium (Offizin), der Materialkammer und einigen Nebenräumen. Nach knapp zehn Jahren wurde Paul Freundlichs Ehe geschieden. Seine Frau hatte die Familie verlassen und war zum katholischen Glauben konvertiert. 1921 ging Paul Freundlich eine zweite Ehe mit Irma Beith ein.(Siehe auch Biografietext Beith. Ihr Vater, Benny Beith, stammte aus einer Altonaer Familie, lebte und arbeitete aber schon jahrzehntelang als Familienoberhaupt und Hausmakler in Wandsbek, wo er auch viele Jahre das Amt des Vorstehers der Jüdischen Gemeinde Wandsbek innehatte. Ihre Mutter, Selma, geb. Auerbach, kam aus der seit dem frühen 19. Jahrhundert in Wandsbek ansässigen Familie Hirsch (s.a. Stolpersteine Wandsbek). Irma Freundlich, die in einem religiösen Haushalt aufgewachsen war, führte den Eimsbütteler Familienhaushalt nun koscher. Sie wurde unterstützt von einer Köchin, einem Dienstmädchen und einem Kinderfräulein. 1922 bekamen die Eheleute noch die Tochter Erika. Sie wuchs mit den drei Töchtern aus erster Ehe auf. Deren Mutter wurde innerhalb der Familie kaum mehr erwähnt, so dass Erika erst später von ihr erfuhr, möglicherweise erst 1931, als jene starb.
Paul Freundlichs jüngerer Bruder Heimann Freundlich wohnte mit seiner Frau Meta in der Eimsbütteler Chaussee 15 und arbeitete als Klempner und Mechaniker in seiner Werkstatt in der Agathenstraße 7. Bei Bedarf verrichtete er handwerkliche Arbeiten im Hause seines Bruders (s. ders.).
Die Kunden in der Nachbarschaft hatten Paul Freundlichs Apotheke von Anfang an misstrauisch beäugt. Konnte man den Medikamenten trauen, die ein jüdischer Apotheker herstellte? Musste man nicht befürchten vergiftet zu werden? Unwissenheit gepaart mit antisemitischen Vorurteilen führte zu einem Rückgang der Umsätze. Erst als der Pastor der Christuskirche, die in unmittelbarer Nähe gegenüber der Apotheke lag, das Problem während einer Predigt ansprach und Paul Freundlich als guten, verantwortungsvollen Charakter bezeichnete, und die Gemeinde aufforderte, ihre Aversionen gegen ihn aufzugeben, verbesserte sich die Lage. 
Die ersten Anschuldigungen gegen Paul Freundlich, die aktenkundig wurden, datieren aus dem November 1915. Der Kunde Buhlert reklamierte schlecht klebendes Leukoplast. Allerdings war dem Pflaster von der Herstellerfirma Beiersdorf vorsorglich ein Zettel beigelegt mit der Aufschrift „Kriegsproduktion“, sodass mit Mängeln zu rechnen war. Paul Freundlich hatte sich wohl anfangs gesträubt, das Leukoplast zurückzunehmen, aber dem Kunden den Kaufpreis schließlich doch erstattet. Der Vorfall ließ Buhlert trotzdem keine Ruhe, er wandte sich nun an das Medizinalamt, die Apothekenaufsicht. Offenbar sah er in der Angelegenheit üble Machenschaften jüdischer Pharmakologen am Werk, wie sich aus seiner Wortwahl unschwer ableiten lässt: „Diesem Treiben des Herrn Freundlich und der Firma Beiersdorf & Co., Inhaber Dr. Troplowitz und Dr. Mankiewicz muss Einhalt geboten werden, weshalb ich den Vorfall hiermit zur Kenntnis bringe.“ 
Das Medizinalamt bat die Firma Beiersdorf um eine Stellungnahme, die sich im Dezember 1915 äußerte: „Bald nach Beginn des Krieges hat sich eine empfindliche Knappheit an Kautschuk fühlbar gemacht, trotzdem war es uns ... immer noch möglich, etwa bis Mitte 1915 unsere Kautschuk-Pflaster in der alten gewohnten Güte zu liefern. Erst als unsere Vorräte ... von der Reichsstelle enteignet und uns von Monat zu Monat geringere Mengen freigegeben wurden, mussten wir der Verwendung von Ersatzstoffen näher treten. .... Um die Änderung in der Zusammensetzung zum Ausdruck zu bringen, werden die Pflaster seitdem ausdrücklich als Kriegszubereitungen bezeichnet. ... Herr Buhlert mag vielleicht ein Pflaster bekommen haben, dass durch irgend einen Umstand etwas älter geworden ist, als es unter den heutigen Verhältnissen hätte werden dürfen, und infolgedessen in seiner Klebkraft nachgelassen hat. Ein Schaden ist ihm daraus aber weder mittelbar noch unmittelbar erwachsen, nachdem ihm in der Apotheke der Kaufpreis wieder zurückerstattet wurde. Ergebenst P. Beiersdorf“.
Im April 1921 veröffentlichte das Hamburger Fremdenblatt einen anonymen Leserbrief unter dem Titel „Eimsbüttels Apothekenelend“. Ein Kunde aus der Margarethenstraße hatte den Nachtdienst der Hansa-Apotheke aufgesucht. „Hier angelangt, musste ich feststellen, dass besagtes Haus in tiefstes Dunkel gehüllt dalag. Mehrmaliges Klingeln, niemand öffnete.“ Schließlich habe er sein Medikament in der Apotheke Emilienstraße erhalten. „Kommentar überflüssig. Ein Eimsbütteler“. In einem zweiten, wiederum anonymen Leserbrief behauptete derselbe Verfasser, sogar vorher in der Hansa-Apotheke angerufen zu haben. 
Der Vorfall rief das Gesundheitsamt Hamburg auf den Plan, das eine Stellungsnahme von Paul Freundlich forderte. Dieser legte dar, es handele sich um „erfundene gehässige Anwürfe (...) und es den Einsendern lediglich darauf ankam mich in den Augen des Arzneikaufenden Publikums zu schädigen. Der Nachtdienst in meiner Apotheke wird in vorschriftsmäßiger Weise gehandhabt.“ 
Das Gesundheitsamt erwog wohl auch eine Befragung des Anonymus, denn die Redaktion des Hamburger Fremdenblattes teilte der Behörde den Namen Hans Lüllemann mit der Auflage mit, ihn nicht weiterzugeben. 
Im Sommer desselben Jahres wurde Paul Freundlich eine Strafe von 100 RM angedroht. 
Angeblich hatte er anlässlich einer Reise die Apotheke ohne Vertreter, nur mit einem Lehrling und einem Apotheker, der nicht gemeldet war, zurückgelassen. Paul Freundlich bestritt eine längere Abwesenheit. Er habe lediglich seine Kinder in Segeberg besucht und sei alle drei Tage zurückgekehrt. Diese Darstellung wurde von der Aufsichtsbehörde als unglaubwürdig zurückgewiesen. 
Im Juli 1927 beschwerte sich wiederum ein Kunde, diesmal ging es um ein Medikament. Das Gesundheitsamt drohte Paul Freundlich nun mit strafrechtlichen Konsequenzen. In dem Schriftstück heißt es: „Gelegentlich der Beschwerde des Herrn Blumenthal ist festgestellt, dass die angefertigte Verordnung nicht mit einwandfreiem bzw. vorschriftsmäßigem Sir. flor. Rhoeados hergestellt worden ist.“ Der Angeschuldigte erwiderte, dass die Verordnung zurzeit der Vertretung durch den Apotheker Wollenberg erfolgt sei.
Im September meldete Paul Freundlich einen Einbruch in der Apotheke, bei dem ein Gefäß mit 1 Gramm Heroin und ein Gefäß mit ca. 4 Gramm Heroin-Ersatz gestohlen worden war. 
1931 ging es um angeblichen unlauteren Wettbewerb. Der Hamburger Apotheker-Verein, die Standesvertretung der Apotheker, wandte sich an die Wohlfahrtsbehörde Hamburg und drohte damit, ein ehrengerichtliches Verfahren gegen den Eimsbütteler Apotheker einzuleiten. Freundlich habe durch Einverständnis mit dem Arzt Herrn Bachrach in unlauterer Weise unter Ausschaltung der benachbarten Apotheken Lieferungen auf Wohlfahrtsanordnungen des genannten Arztes ausgeführt. Er habe dem Arzt eine Auswahl der verschiedenen Medikamente in seine Wohnung auf Lager geschickt und der Arzt habe diese an die Patienten direkt verabfolgt. Die Verordnungen darüber habe Dr. Bachrach dann dem Apotheker Freundlich zugestellt und dadurch die benachbarten Apotheken von der Belieferung ausgeschlossen. Runge erwähnte, dass eine einem Vertrage gleichkommende Abmachung zwischen Arzt und Apotheker vorliege.
Der Arzt Bachrach erklärte gegenüber der Wohlfahrtsbehörde, dass auf diese Weise nur während der vier Monate andauernden Grippe-Epidemie verfahren worden sei. Paul Freundlich versicherte, böse Gedanken seien ihm nicht gekommen. Er gab allerdings zu, sehr unklug gehandelt und gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoßen zu haben. 
Der Präses der Wohlfahrtsbehörde, Senator Martini, erwog, den Vertrag mit Bachrach zu kündigen. Freundlichs Apothekerkollegen nutzten den Vorfall, um weiter gegen ihn vorzugehen. Der Oberapotheker Menhorn bat, „bei der Polizeibehörde den Antrag zu stellen, den Apotheker Freundlich wegen Zuwiderhandlung gegen die Bestimmungen ... mit der Höchstrafe von 150 RM zu belegen.“ Das Gesundheitsamt schloss sich der Forderung an und teilte dies der Polizeibehörde mit. Doch die Wohlfahrtsbehörde sprach die Angeschuldigten von allen Vorwürfen frei, indem sie ausführte: „Die Rezepte der Hansa-Apotheke lassen nicht erkennen, dass Dr. Freundlich und Dr. Bachrach gemeinsame Sach
gemacht haben.“ 
Der Apotheker-Verein mochte sich diesem Votum nicht anschließen. Er ließ Paul Freundlich durch einen Kommissar vernehmen und vor das vereinseigene Gau-Gericht stellen. Am 7. August 1931 sprach es Paul Freundlich seine schärfste Missbilligung aus wegen Schädigung des Standesansehens und wirtschaftlicher Benachteiligung der benachbarten Fachgenossen. Da Freundlich ein geldlicher Vorteil von geschätzten 400 RM erwachsen sei, wurde er zu einer Strafe von RM 300 verurteilt. 
Die Jahre 1934 bis 1936 musste Paul Freundlich weierhin damit verbringen, Angriffe von NS-geprägten Standesgenossen und Behörden abzuwehren, die das Ziel hatten, die Hansa-Apotheke zu schließen. Die Grundlage bildeten politisch motivierte Bestrebungen, mit denen das Ungleichgewicht zwischen der begrenzten Anzahl von Konzessionen und der hohen Zahl von approbierten Bewerbern ausgeglichen werden sollte. Zudem waren in Hamburg der „arische“ Apothekernachwuchs bzw. „junge Parteigenossen“ vorrangig versorgt worden, was ohnehin schon zu Protesten geführt hatte. In dieser Situation nahm die Gesundheits- und Fürsorgebehörde die 19 jüdischen Apotheker ins Visier, indem nun von „Verjudung“ des Apothekerstandes die Rede war, was eine Bevorzugung von NSDAP-Mitgliedern erforderlich mache. Die Maßnahmen gegen Paul Freundlich glichen einem Hauruckverfahren. Den Auftakt bildete eine Revision, also eine turnusmäßig vorgenommene Kontrolle der Apotheke, am 5. März 1934. Sie war durch den Oberapotheker Max Burger, Referent für das Apothekenwesen, und den vereidigten Apothekenrevisor Hans Rehmke, durchgeführt worden. Die Revisoren monierten Unordnung, Unsauberkeit und allgemeine Verstöße und forderten, dass bis zum 8. März 1934, also bereits drei Tage später, ein Verwalter einzusetzen sei. Im Revisionsprotokoll waren die Beanstandungen allerdings nicht aufgeführt. 
Dessen ungeachtet wies die Gesundheits- und Fürsorgebehörde Paul Freundlich an, den Apothekenbetrieb unverzüglich bis auf weiteres einzustellen, andernfalls drohe die zwangsweise Schließung. Das entsprach de facto der Entziehung der Konzession.
Freundlichs Ehefrau Irma meldete sich telefonisch bei der Gesundheits- und Fürsorgebehörde und teilte mit, dass der Apotheker Adolf Luis Kuhlemann als Verwalter vorgeschlagen werde. Der Verwaltervertrag solle sofort nachgeliefert werden. Sie bat um fernmündliche Mitteilung, ob damit die Schließung der Apotheke abgewendet sei. Kuhlemann war auch während der Revision zugegen gewesen. 
Mit seinem Vorschlag war Paul Freundlich auf die Forderung der Behörde eingegangen. Wenn er gehofft hatte, dass sich die Lage zu seinen Gunsten entspannen würde, so sah er sich getäuscht. Seine Widersacher suchten weiter nach Beweismaterial gegen ihn. Die Behörde strengte eine Untersuchung von Aspirin-Tabletten an, in der Hoffnung, dem Apotheker eine Fälschung nachweisen zu können. Sie wandte sich an die Herstellerfirma IG Farbenindustrie AG in Hamburg mit der Bitte, die Tabletten zu untersuchen. Mit dem gleichen Auftrag wurde das Hygienische Staatsinstitut angeschrieben. 
Die IG Farben antwortete mit deutschem Gruß und meldete: „Die Untersuchung deutet darauf hin, dass es sich um Aspirin Tabletten handelt ... Sichere Anzeichen einer Fälschung konnten nicht festgestellt werden.“
Die Rechtsanwälte Paul Freundlichs, M. Eichholz und H. Ruscheweyh, hatten inzwischen eine sofortige Klage vor dem Hamburgischen Verwaltungsgericht gegen den Hamburger Senat eingereicht. Sie verlangten, dass die Sperrung der Apotheke aufgehoben werde. „Ohne ein sachgemäßes Protokoll, ohne mehrfache Abmahnungen dürfte eine so einschneidende Maßnahme wie die Entziehung der Befugnis zum persönlichen Betriebe einer Apotheke kaum zu treffen sein.“ Weiter heißt es, dass Paul Freundlich „seit 24 Jahren seinen Beruf ausgeübt (hat), ohne dass jemals stichhaltige Einwendungen gegen seine berufliche Tätigkeit erhoben worden sind. Umso weniger durfte dann aber mit der Sperrung der Apotheke gegen ihn vorgegangen werden. Die rechtswidrige Sperrung ... macht den Hamburgischen Staat schadensersatzpflichtig.“ Das Vorgehen gegen den Apotheker sei ein „klarer Missbrauch des Ermessens ... ohne dass ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich gegen die Vorwürfe zu wehren. Ihm sind solche Vorwürfe bis zum heutigen Tage nicht mitgeteilt worden. Dass eine alte Privatapotheke ... nicht technisch so vollkommen sein kann, wie es Staatsapotheken oder ausnahmsweise neu eingerichtete Privatapotheken sind, liegt auf der Hand. Wie schwer der Kläger unter der Art der Behandlung durch Herrn Apotheker Burger und die Sperrung der Apotheke gelitten hat, zeigt das ärztliche Attest.“
Es war am 10. März 1934 vom Mediziner Hellmuth Lorch ausgestellt worden, „infolge schweren Nervenzusammenbruchs, der auf eine geistige und körperliche Überanstrengung zurückzuführen ist, (ist der Patient) derzeit äußerst schonungsbedürftig und muss sich vor allen Aufregungen hüten.“ Ein weiterer hinzugezogener Arzt, Conitzer, bescheinigte am 12. März 1934: „Paul Freundlich, den ich seit mehr als 20 Jahren ärztlich betreue, aber nie an einer ernstlichen Krankheit behandelt habe, (ist) zurzeit infolge der Schließung seiner Apotheke und der voraufgegangenen Aufregungen sich in einer ganz desolaten körperlichen und seelischen Verfassung...“
Ferner mahnten die Rechtsanwälte bei der Behörde an, ihnen die Vorwürfe des Herrn Apotheker Burger greifbar zu machen, um sie „restlos (zu) widerlegen“. Auf Anordnung der Gesundheitsbehörde sollte die Apotheke aber weiterhin geschlossen bleiben. 
Doch Paul Freundlich eröffnete die Apotheke wieder „in Gemäßheit der Rechtslage“, wie seine Anwälte mitteilten. Am Abend hatte Apotheker Burger einen Polizeihauptwachtmeister in die Apotheke geschickt, und nachfragen lassen, ob Freundlich die Erlaubnis der Gesundheitsbehörde zur Wiedereröffnung habe. Dieser hatte den Polizisten darauf hingewiesen, dass durch die Klage die Sperrung der Apotheke aufgehoben wäre. Doch Burger gab sich damit nicht zufrieden, meldete sich telefonisch und verlangte von Paul Freundlich die Schließung der Apotheke. Ferner soll er erklärt haben, dass er alle amtlichen Stellen in Bewegung setzen werde, um die Schließung durchzusetzen. Die Anwälte betonten noch einmal, „dass kein einziges der untersuchten Arzneimittel zu irgendwelchen Beanstandungen Veranlassung gegeben hat. ... über die Art der Untersuchung durch Herrn Burger (hat man) sehr wenig Erfreuliches gehört. Herr Burger scheint noch nicht einmal die vorgeschriebenen Untersuchungsmethoden zu kennen.“
Wenige Tage später schrieb die Gesundheitsbehörde dem Hamburgischen Verwaltungsgericht, dass Freundlich den Hamburgischen Staat verklagt habe, die Klage jedoch kostenpflichtig abzuweisen sei. Die Rechtsanwälte wandten sich nun an Bürgermeister Krogmann, da die Schließung nicht von der Behörde erlassen werden könne, nur der Senat könne eine derartige Entscheidung fällen. Burger sei einseitig voreingenommen. Ausdrücke wie „Saustall“ und „Dreckbude“ kehrten bei ihm immer wieder. In den zahlreichen Revisionen der vergangenen Jahre sei überhaupt nichts gerügt worden.
Auch Irma Freundlich suchte weiterhin Gerechtigkeit und bat den Reichsstatthalter Kaufmann um eine persönliche Unterredung. „Es handelt sich um die Schließung unserer Apotheke.“ Ob sie eine Antwort erhalten hat, ist nicht dokumentiert. Der Eingang ihres Briefes fiel mit dem Datum der Urteilsverkündung zusammen. Das Hamburgische Verwaltungsgericht wies Paul Freundlichs Klage ab. Damit war die Entziehung der Konzession rechtskräftig geworden.
Inzwischen hatte Burger noch weitere Zeugen aufgetan, die seine Meinung über die Zustände in der Hansa-Apotheke bestätigen sollten und es auch taten, wie Wilhelm Dörnemann, der Vertrauensapotheker der AOK, und zwei Assistenten, die bei Paul Freundlich gearbeitet hatten. In einem Bericht der Gesundheitsbehörde, vermutlich von Burger verfasst, betonte er seine Verantwortung für die „Volksgesundheit“. „Wenn diese Revisoren (früher) nicht den Maßstab anlegten, wie es jetzt die nationalsozialistische Regierung tun muss, so lag darin eine politische Einstellung, denn bislang bestanden die Revisoren nur aus (Apotheken)Besitzern und diese mussten sich gerade einem Juden gegenüber eine sehr starke Zurückhaltung auferlegen.“ Das konnte doch nur bedeuten, dass die NS-Regierung gegen Juden besonders hart vorging, um die „politische Einstellung“ während der Republikzeit zu korrigieren. 
Auf Grundlage des Urteils vom Verwaltungsgericht wurde durch den Senator für Innere Verwaltung, Richter, mitgeteilt: „Paul Freundlich wird das Recht zur Führung einer Apotheke entzogen. Es wird ihm anheim gestellt, einen Verwalter ... namhaft zu machen. Bis zur Einsetzung des Verwalters bleibt die Apotheke geschlossen.“ 
Mitte Mai 1934 schien sich die Lage beruhigt zu haben. Paul Freundlich hatte den Verwalter Wilhelm Bendhack eingesetzt, und die Nachrevision ergab, dass sich die Apotheke „in sehr gutem vorschriftsmäßigen Zustand befindet.“ Allerdings erhielt der Apotheker Bendhack keine Genehmigung als Verwalter. 
Zehn Tage später war ein Verwaltervertrag zwischen Freundlich und dem angestellten Apotheker Rudolf Rose „zur Führung der Apotheke“ zustande gekommen, übrigens „ein junger Parteigenosse“, und die Apotheke nahm den Betrieb wieder auf. Doch nicht für lange, denn wenige Tage später wurde, wie Freundlichs Rechtsanwälte feststellten, „entgegen geltendem Recht (von) Hauptwachtmeister Krefft von der Wache 15 die Schließung der Apotheke im Auftrag der Gesundheitsbehörde durchgeführt.“
Nachdem auch die Berufung gegen das Urteil vom 28. Mai 1934 abgelehnt worden war, schien die Lage aussichtslos. Doch Paul Freundlich gab nicht auf. 
Im November 1934 beantragte er, einen Anbau errichten zu lassen. „Im neuen Anbau soll die Offizin untergebracht werden, während die alte Offizin zur Materialkammer wird.“ (Als Offizin bezeichnet man in einer Apotheke den Arbeitsraum, in dem die Arzneimittel hergestellt werden.) Er bat um baldige Genehmigung, um den Bau vor Beginn des Frostes fertig stellen zu können. Ferner machte er die Behörde darauf aufmerksam, dass eine Arbeitsbeschaffung im Werte von 18.000 RM in Frage komme. Hinter dem Bauvorhaben stand in erster Linie die Hoffnung des Apothekers, seine Konzession zurückzuerhalten.
Die Behörde gab tatsächlich grünes
Licht und genehmigte den Umbau, der von der Firma der Architekten Hans und Oskar Gerson durchgeführt wurde. Während der Umbaumaßnahmen war die Apotheke drei Monate lang geschlossen. 
Ende Februar 1935 konnte die Offizin in den Neubau verlegt werden. Die Tochter Erika schildert das Ergebnis als sehr modern und ansehnlich, mit einer schönen Fassade aus hellgrünen Wandfliesen.
Paul Freundlich war es nur noch 1935/36 vergönnt, in der Apotheke tätig zu sein, allerdings unter einem Verwalter. Die selbständige Leitung wurde dem langjährigen Inhaber nicht mehr eingeräumt, er hätte sie ohnehin nicht mehr lange ausüben können. Denn im März 1936 erließ das Reichsinnenministerium eine Verordnung, nach der jüdische Apotheker zur Verpachtung ihres Betriebes verpflichtet wurden, was einem Berufsverbot gleichkam. Von einem feindlichen Umfeld zermürbt und gesundheitlich angeschlagen, sah sich Paul Freundlich gezwungen, Lebenswerk und Existenzgrundlage – in besseren Zeiten hatte er bis zu drei Mitarbeiter beschäftigt – an einen Konkurrenten abzutreten. Mit Vertrag vom 6. August 1936 verkaufte er die Apotheke samt Inventar, Warenbestand und Grundstück für RM 165.000 an den Apotheker Carl Hattenkerl aus Braunschweig. Die Verkaufsverhandlung fand in Wandsbek, im Hause des Schwiegervaters von Paul Freundlich statt. Die Apotheke war ab 1. Oktober 1936 an den Käufer zu übergeben, die Wohnung musste bis zum 2. Januar 1937 geräumt sein.
Dem neuen Inhaber bescherte die Apotheke glänzende Einnahmen. Laut Finanzamt St. Pauli betrugen die Umsätze 1938 rund 85.000 RM, 1939 rund 98.600 RM und 1940 rund 105.124 RM. Die Umsätze unter der Leitung von Paul Freundlich beliefen sich 1933 auf ca. 68.000 RM, 1934 auf rund 50.000 RM und 1935 auf rund 70.000 RM.
1941 wurde die Apotheke weiter verkauft und 1943 infolge Kriegszerstörungen an die Ecke Fruchtallee/Ecke Belleallianceplatz verlegt. Sie kehrte nicht mehr an ihren früheren Standort zurück – ebenso wenig wie ihr früherer Inhaber.
Dieser war mit seiner Ehefrau und der jüngsten Tochter Erika bereits im November 1936 in eine Wohnung Oderfelderstr. 40 II. gezogen, wo die Eheleute Freundlich bis zur Deportation lebten.

Die drei Töchter aus Freundlichs erster Ehe waren Schülerinnen der Loewenberg-Realschule und wurden Ende der 1920er Jahre in der Hansa-Oberrealschule (heute Helene-Lange-Schule) angemeldet, wo sie Abitur machten.
Die Tochter Ingeborg war zum Studium nach Frankfurt am Main gezogen, dort legte sie 1934 die Staatsprüfung zur Apothekerin ab. Da jüdischen Studenten von der Leitung nahe gelegt worden war, die Universität zu verlassen, wanderte Ingeborg in die Schweiz aus, um ihre Ausbildung abzuschließen. Später emigrierte sie in die USA, wo sie ihren Beruf nicht mehr ausübte. Sie lebte mit ihrem Ehemann in New York.
Die Tochter Hildegard hatte 1932 an der Universität in Frankfurt am Main ein Philologiestudium begonnen, Deutschland unmittelbar nach dem Machtantritt Hitlers verlassen und war nach Paris emigriert. Dort beendete sie ihr Studium an der Sorbonne. 1940 heiratete sie den deutschen Schriftsteller Ernest L. Rothschild, mit dem sie 1941 in die USA übersiedeln konnte. Dort arbeitete sie als Lehrerin und Kindergärtnerin. 
Gerda, die dritte Tochter, legte 1933 das Abitur ab, konnte jedoch nicht mehr Chemie studieren und evtl. Apothekerin werden. Stattdessen besuchte sie zwei Jahre lang die Staatliche Schule für Frauenberufe in Hamburg, wo sie Mode- und Gebrauchsgraphik erlernte. 1935 studierte sie in Berlin weiter und arbeitete gleichzeitig als Volontärin im Reklamemodeatelier Robinstock & Wagner, sodass sie praktische Erfahrungen sammeln konnte. Die Firma bot ihr eine Stellung als erste Zeichnerin an. Da sie in Deutschland jedoch keine Zukunft mehr für sich sah, übersiedelte sie 1936 auf Drängen des Vaters in die Schweiz.
Die jüngste Tochter Erika war oftmals von Nachbarskindern gemieden oder beschimpft worden, besonders nach dem April-Boykott 1933, als man das Geschäft mit der Aufschrift „Jude“ gebrandmarkt hatte, und ihr die Kinder nun voller Stolz ihre HJ-Uniformen präsentierten. Seit April 1929 hatte Erika die Israelitische Töchterschule Karolinenstraße besucht und 1933 die Mittelschulreife erlangt. Danach wollte sie auf dem Oberrealschulzweig der Talmud Tora Schule Abitur machen. Dazu kam es nicht mehr. Sie war vielmehr gezwungen, ihre Ausbildung zu unterbrechen, wurde sie doch noch während des laufenden Schuljahres, im März 1938, aus der Klasse III a entlassen. Sie besuchte allerdings bis zu ihrer Auswanderung im November weiterhin die Schule Karolinenstraße.
Die Folgen des Novemberpogroms 1938 wirkten sich unmittelbar auf die Familie Freundlich aus. Erika bereitete sich unter dem Druck der Verfolgung auf die Auswanderung nach England vor. Eine Lehrerin hatte ihr geraten, sich einem Schülertransport anzuschließen. Aber Erika hatte Bedenken. „Ich kann meine Eltern nicht verlassen, ich bin das einzige Kind zu Hause.“ Doch die Eltern unterstützen die Auswanderung ihrer jüngsten Tochter. An Vorbereitungszeit blieben nur etwa zehn Tage. Am 14. Dezember fand sich die Familie auf dem Altonaer Bahnhof ein. Erika erinnert sich: „Es war entsetzlich auf diesem Bahnhof, aber ich habe es nicht gemerkt. Mein Vater trug diesen blauen Mantel und wahrscheinlich auch einen Hut. Und er hat geweint, so viel geweint, und ich konnte es nicht ertragen... Ich habe niemals meine Mutter angeblickt, ich wollte sie nicht ansehen, vielleicht wird sie weinen, dann würde ich auch weinen. Ich war sehr gut, ich habe sie nicht angeguckt, ich habe nicht geweint, mein Vater hat geweint, und dann sind wir auf die Bahn gekommen; er hat mich gesegnet ... Das war das letzte Mal, dass ich meine Eltern gesehen habe.“
Paul Freundlich schildert in einem Brief vom 19. Dezember 1938 seiner Tochter Gerda die unverhoffte Schnelligkeit der Ereignisse sowie die Atmosphäre auf dem Bahnhof. „Ich kann es mir noch gar nicht so recht vorstellen, dass Erika nicht mehr hier sein soll. Das ging alles so plötzlich. ... Ihr könnt euch gar nicht vorstellen den Abschied, den Eltern und Kinder voneinander nahmen. Da sah ich drei kleine Kinderchen, das Jüngste mochte 5 Jahre alt gewesen sein und ihre Händchen in die der Geschwister, die vielleicht ein oder zwei Jahre älter waren, gelegt. Das Kleinchen wollte sich gar nicht von der Mutter trennen. Das ganze Bild, das die auswandernden Kinder zeigten, war bejammernswert ... (und) grauenerregend. Und bei alledem, es war am besten so für die Kinder.“ An einen längeren Abschied oder gar an eine endgültige Trennung dachte zu diesem Zeitpunkt wohl niemand. Vielmehr hoffte Erika Freundlich, dass nach ihrem Weggang auch ihre Eltern die eigene Auswanderung forcieren würden.
Doch neben der Sorge um die Auswanderung der jüngsten Tochter hatten sich die Eltern mit dem Fiskus herumzuschlagen. Am 21. November 1938 leitete Zollinspektor Werner von der Zollfahndungsstelle Hamburg das sogenannte Sicherungsverfahren gegen die Eheleute Freundlich ein. Er informierte die Devisenstelle über einen Kapitalfluchtverdacht, nachdem die Tochter Gerda die Ausstellung einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung beantragt hatte, ein Papier, das zur Auswanderung nötig war. Eine vorläufige Sicherungsanordnung war bereits erlassen worden, Abschriften an die Gestapo, den Steuerfahndungsdienst und die Reichsbankhauptstelle Hamburg waren unterwegs. Den Eheleuten Freundlich ging sie per Einschreiben zu. Nun waren alle Konten der vermögenden Familie gesperrt, die Wertpapiere vor dem Zugriff des Eigentümers „gesichert“, eine Auflistung der Vermögenswerte, des Grundbesitzes und der Forderungen aus Hypothekenbriefen etc. erstellt. Nur über Erträgnisse der Wertpapiere konnte frei verfügt werden. Deren Verkauf war auch möglich, jedoch nur, wenn Paul Freundlich den Erlös auf das gesperrte Konto bei der Warburg-Bank überwies bzw. in ein Depot brachte. 
Ein Grundstück in der Schillerstr. 10 in Wandsbek musste verkauft werden. 
Der Familie blieben anfangs noch 1.000 RM monatlich, die ohne Genehmigung dem Konto entnommen werden durften. Im Februar 1939 beantragte Paul Freundlich die Freigabe von 460 RM für seine in Paris studierende Tochter Hildegard für die Monate Januar und Februar, im März forderte er RM 280,69 RM Ausbildungsgelder an, um sie an den Zentralausschuss für Hilfe & Aufbau, Berlin-Charlottenburg zu zahlen. Die Devisenstelle hatte die Freigabe der Mittel verweigert, da die Tochter „im feindlichen Ausland“ studierte, musste sie jedoch freigeben, denn die Reichsvereinigung verfügte über die entsprechende Genehmigung.
Für die seit 1936 in der Schweiz lebende und mittlerweile studierende Tochter Gerda waren auf einem Sperrdepot bereits Wertpapiere in Höhe von RM 8.000 als Reichsfluchtsteuersicherheit hinterlegt. Die Devisenstelle vermerkte über die in London lebende Tochter Erika, dass sie nach Mitteilung des Vaters dort erkrankt und mit ihrer Rückkehr nach Deutschland zu rechnen sei. Doch dazu kam es glücklicherweise nicht. 
Die Devisenstelle war weiterhin damit beschäftigt, das Vermögen der Freundlichs zu kontrollieren und zu dezimieren. Der Fragebogen, den Paul Freundlich einreichte, wies zu dieser Zeit noch beträchtliche Mittel aus, allein an Reichsfluchtsteuer wurden 33.000 RM fällig. Die Raten für die „Judenvermögensabgabe“, mit der Juden für Schäden des Novemberpogroms zur Kasse gebeten wurden, summierten sich für Paul, Irma und Gerda Freundlich auf ca. 23.000 RM. Für die Tochter Erika waren am 18. Dezember 1938, bereits vier Tage nach ihrer Auswanderung, 8.000 RM zu hinterlegen.
Die bewilligten Mittel zum Lebensunterhalt wurden eingeschränkt. Von den beantragten 1.505 RM, darunter 175 RM für Miete, für einen fünfköpfigen Haushalt (drei Kinder im Ausland), wurden 450 RM für zwei Personen, also die Eheleute Freundlich, bewilligt.
Jede kleinste Ausgabe, die nicht vom Freibetrag bestritten werden konnte, musste beantragt werden. Im Falle der Freundlichs waren das u.a. von Mai bis November 1940 30 RM für Synagogenplätze, 22 RM für die Umarbeitung eines Pelzkragens, rund 25 RM für einen Luftschutzkeller-Zuschuss, „30 RM für Hermann Wollenberg in Breslau als Geschenk für meinen sich in Not befindenden Vetter.“ Im Dezember 1940 beantragte Paul Freundlich 100 RM für Weihnachtsgeschenke. Die kleineren Beträge wurden meist genehmigt. 
Ende des Jahres folgte ein Antrag über 30 RM als Ersatz für Ausgaben, die seiner Frau entstanden waren durch Arbeitsaufnahme in Altona. Irma Freundlich gehörte zu den knapp 790 jüdischen Hamburgern, die zu einem Arbeitseinsatz zwangsverpflichtet wurden. Ihr Ehemann meldete der Devisenstelle: „Meine Frau Irma Sara Freundlich ist seit 16.12.1940 in dem Conserven-Werk Teckentrop, Altona, Feldstr. 19 in Arbeit. Der Lohn wird von der Fa. Teckentrop auf mein beschränkt verfügbares Sicherungskonto eingezahlt. Mit Rücksicht auf die erhöhten Ausgaben, die meiner Frau entstehen, bitte ich für die Dauer der Arbeitstätigkeit meiner Frau um den zusätzlichen Freibetrag von monatlich RM 50.“ Die Genehmigung wurde erteilt und auf sechs Monate befristet.
Die Tochter Gerda gab den Eltern weiterhin Anlass zur Sorge. Als Flüchtling konnte sie in der Schweiz nicht arbeiten. Sie lebte von Studiengeldern, die ihr Vater bis April 1940 zahlte, belegte Kurse als Zuschneiderin und verbesserte ihre Französischkenntnisse, um als Sprachlehrerin arbeiten zu können. 1941 erhielt sie eine kleinere Summe aus dem Nachlass ihrer Mutter. Nachdem die Unterstützung aus Deutschland gänzlich ausblieb, fristete sie unter kargen Bedingungen ihr Leben. Halb verhungert wurde sie fortan von jüdischen Hilfskomitees unterstützt.
Obwohl über Auswanderungsabsichten der Eheleute Freundlich kaum etwas dokumentiert ist, kann davon ausgegangen werden, dass sie ihren Verwandten in die USA folgen wollten, um gemeinsam ein neues Leben aufzubauen. Neben den beiden Töchtern Ingeborg und Hildegard lebten Irma Freundlichs Eltern sowie ihre Schwester und ihr Schwager schon dort. 
Während Irma Freundlich unter die deutsche Quote fiel und ein Visum bereits in Aussicht hatte, unterlag Paul Freundlich, gebürtig in der Provinz Posen, die seit 1919 zu Polen gehörte, jedoch der niedrigeren polnischen Quote. Eine tragische Entwicklung, aufgrund derer die Eheleute in Deutschland nun gemeinsam festsaßen, denn Irma Freundlich wollte ihren Mann nicht allein zurücklassen. Da in Europa mittlerweile Krieg herrschte, kam nun nur noch ein Aufnahmeland in Übersee infrage. Unterlagen, die sich im Besitz der Tochter Erika befinden, belegen, dass Paul Freundlich 1940 vom brasilianischen Konsulat abgewiesen worden war, da er in Brasilien keine Verwandten vorweisen konnte. Zudem hatte das Land eine Einreisesperre gegen Pharmazeuten erlassen, deren ausländische Diplome wurden nicht mehr anerkannt und somit die Existenzsicherung infrage gestellt. 
Im Oktober und November 1941 versuchten die Töchter Ingeborg und Gerda vom Ausland aus, kubanische Visa für die Eltern zu erhalten. Offenbar hatten sie Erfolg, denn in einem von Ingeborg Smedresman aufgegebenen Telegramm hieß es am 7. November 1941: „Visum 8876 an Kubalegation gekabelt. Besorgt Schiffskarten.“ Gleich am nächsten Tag stellte Paul Freundlich einen Antrag auf Auswanderung nach Kuba. Doch mittlerweile war es Juden verboten, aus Deutschland auszuwandern.
Wie groß die Sorge der Töchter um die Eltern war, nachdem sie von der „Evakuierung“ ihrer Verwandten Heimann und Meta Freundlich nach Minsk, und der fünfköpfigen Familie des Josef Beith nach Lodz erfahren hatten, besagt ein Telegramm vom 30.November 1941, in dem es u.a. hieß: „Eltern droht dasselbe.“
Als das kubanische Visum im Oktober 1943 schließlich erteilt wurde, kam es mit dem Vermerk „unbekannte Adresse“ zurück, laut einer Mitteilung an das New Yorker Rote Kreuz. 
Im Juli 1941 waren die Eheleute Freundlich zu einer Sommererholung gefahren. Im Herbst kursierten Gerüchte über sogenannte Arbeitseinsätze im Osten, die sich im Oktober 1941 konkretisierten, als die ersten Deportationsbefehle verschickt wurden. 
Paul Freundlich wollte vorsorgen, hoffte wohl, dass eine gute Ausstattung nützlich sein würde und beantragte 400 RM Sonderbewilligung für sich und seine Ehefrau für die bevorstehende „Evakuierung“. Die Genehmigung dafür erhielt er am 4. Dezember 1941. Ein Hinweis darauf, dass die Freundlichs bereits für die Deportation nach Riga am 6. Dezember vorgesehen, aber zurückgestellt worden waren? Die Genehmigung wurde bis zum 10. Februar 1942 verlängert, eine weitere Verlängerung um einen Monat folgte.
Im Juli erhielten die Eheleute den Deportationsbefehl in die Oderfelderstraße zugestellt. Sie fanden sich in der Sammelstelle ein und hatten am 11. Juli 1942 den Zug nach Auschwitz zu besteigen. Dort verlor sich ihre Spur. Paul Freundlich war knapp 63, Irma Freundlich 46 Jahre alt. 
Gerda Freundlich wanderte nach Kriegsende von der Schweiz in die USA aus, wo sie in New York lebte. Als ausgebildete Zeichnerin und Malerin versuchte sie auf dem amerikanischen Markt Fuß zu fassen, hatte jedoch Schwierigkeiten, sich durchzusetzen, zumal sie krank war. Anlässlich ihrer Einbürgerung 1960 nahm sie den Namen Gordé an. Ihre materielle Lage besserte sich erst, als sie 1964 in die Schweiz zurückkehrte und von Rentenzahlungen aus Deutschland lebte. Allerdings brach sie den Kontakt zu ihrer Familie ab. Sie starb 1984. 
Erika Freundlich lebte im Mai 1945 in London. Sie war 23 Jahre alt. Bis zum Kriegsausbruch hatte sie mit ihren Eltern in Hamburg in Briefkontakt gestanden. Danach erhielt sie noch Informationen von ihren in Amerika lebenden Schwestern Ingeborg und Hildegard über ihre Eltern, bis auch dieser Kontakt abbrach, als die USA 1941 in den Krieg eintraten.
In England besuchte Erika von Januar 1939 bis Juli 1940 eine private Mittelschule in Islington, war infolge einer Erkrankung gezwungen, ihre Ausbildung zu unterbrechen und nahm sie nach ihrer Genesung wieder auf. Im Juli 1940 musste sie die Schule dann doch verlassen, da diese kriegsbedingt geschlossen wurde, und arbeitete ab Herbst 1940 im Büro der Jewish Agency for Palestine.
Von der Deportation ihrer Eltern nach Auschwitz erfuhr Erika nichts. „Ich habe immer geglaubt, wenn der Krieg vorbei ist, werden wir uns wiedertreffen.“ Ihre älteren Schwestern dagegen waren über die Vorgänge in Hamburg informiert. 
Einige Zeit nach Kriegsende in London erhielt Erika Freundlich von einer Kollegin eine Zeitungsannonce, die im „Aufbau“ erschienen war, einer deutschsprachigen New Yorker Zeitung, in der zu dieser Zeit unzählige Suchanzeigen von Hinterbliebenen aufgegeben wurden. „Ich suche meine Eltern Paul Freundlich und Irma Freundlich, geb. Beith... Dankbar für jede Auskunft“, hatte Erikas Schwester Hildegard inseriert. Erika Freundlich war gezwungen, sich den unerträglichen Tatsachen zu stellen: „So habe ich das erfahren. Doch niemand hat sich auf die Anzeige gemeldet.“ Sie machte sich nun regelmäßig zum Suchdienst auf und sichtete die Listen mit den Namen der Lagerüberlebenden. Die Namen ihrer Eltern suchte sie jedoch vergeblich. „Jeden Tag bin ich dahin gegangen und habe davor gestanden und habe geweint und habe sie nie gefunden. Das war das Ende.“ 1946 übersiedelte Erika Freundlich in die USA, wo sie 1947 heiratete und eine Familie gründete. Gegenüber dem früheren Gastland England empfindet sie in erster Linie Dankbarkeit, stellt sich heute allerdings die Frage, warum es damals keine Möglichkeit gab, auch die Eltern der Kinder aufzunehmen. Lange Zeit hat sie die Hoffnung genährt, ihre Mutter könnte doch überlebt haben. Ihren drei Kindern wollte Erika eine unbeschwerte Kindheit erhalten. Erst seit den 1980er Jahren hat sie über ihr eigenes Schicksal und das ihrer Eltern gesprochen. 
Eine innere Verbindung zu Hamburg, zu Deutschland ist geblieben. Erika Estis hat Hamburg erstmalig Anfang der 1990er Jahre mit ihren Kindern und später auch mit den Enkelkindern besucht. In einer E-Mail heißt es: „Vergiss nicht zu schreiben von den Glocken der Christuskirche, ich höre ihr Läuten immer noch.“ 

Astrid Louven
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Paul, Irma, Erika Freundlich 1937


 

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Albert Freytag

Albert Freytag, geb. 28.4. 1916, ermordet 1944 in der Heilanstalt Meseritz-Obrawalde

Stolperstein: Schädlerstr. 1 (Neue Bahnhofstr. 1/Horst-Wessel-Str. 1)

Wenn man die Krankenakte aufschlägt, fällt der Blick auf das Foto eines jungen, gut aussehenden Mannes von Anfang Zwanzig, der herausfordernd in die Kamera schaut. Der Gesichtsausdruck verrät nichts darüber, dass sein Leben von Anbeginn unter keinem guten Stern stand. Albert Freytag wurde in den Hungerzeiten des Ersten Weltkrieges, am 28. April 1916, in Wandsbek nichtehelich geboren. Seine evangelische Mutter Olga Freytag arbeitete als Kontoristin, der jüdische Vater, Sally Herzberg, war ein Wandsbeker Schlachter und Fuhrunternehmer von Beruf (s. Kap. Herzberg). Die Eltern waren verlobt gewesen, doch der Vater hatte erst nach dem Ersten Weltkrieg heiraten wollen. Darüber zerstritt sich das Paar, Albert Freytag wuchs unehelich auf und wurde getauft.
Nach den Angaben seiner Mutter war er eine Sturzgeburt. Im Alter von einem Jahr war seine rechte Körperhälfte gelähmt, mit 2 ½ Jahren stürzte er aus dem Fenster, wobei er eine Gehirnerschütterung erlitt. Er wurde mit 3 ½ Jahren geimpft, bekam am selben Tag die ersten Krämpfe, zunächst leichter Art. Doch die (epileptischen) Anfälle nahmen allmählich an Zahl und Stärke zu. Als Schulkind hatte er manchmal sechs bis acht Anfälle täglich. 
Die Krankenakte enthält Angaben, die Albert Freytag selbst bei einer Befragung über seine Schulzeit machte: Er habe die Schule am Königsland (in Wandsbek A.L.) besucht. wohl eine Hilfsschule. Dort habe man ihn aber nicht behalten. „Da kamen immer die Anfälle dazwischen beim Lesen und Schreiben.“ Deshalb sei er nach Schleswig gekommen. Gemeint war die Heilanstalt Schleswig-Hesterberg. Albert Freytag war acht Jahre alt, als er dort eingewiesen wurde. Die Diagnose lautete „Schwachsinn bei Epilepsie“. Bis auf wenige Unterbrechungen verbrachte er fortan sein kurzes Leben in Anstalten.
Die Krankenberichte aus Schleswig schildern ihn als eigenwillig und vorlaut, körperlich schwächlich, gewalttätig gegen Sachen und Mitpatienten. Seine geistigen Fähigkeiten – so hieß es - stagnierten, zumal er auch keine Förderung erhielt. Nach neun Jahren wurde er kurz vor Weihnachten 1933 als „gebessert“ nach Hause entlassen, weil unter der Behandlung die Krämpfe nachgelassen hatten. 
1934 trat das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ in Kraft. Körperlich Behinderte, geistig und psychisch Kranke sollten nun ohne Einwilligung der Betroffenen von Ärzten und Angehörigen medizinischer Berufe gemeldet werden und zur Begutachtung vor ein sogen. Erbgesundheitsgericht gebracht werden. Wer dessen Kriterien von „Normalität“ nicht entsprach, wurde zur Zwangssterilisation angezeigt. Als Gutachter fungierten ein Amtsrichter, ein beamteter Arzt und ein approbierter Arzt. Als jemand, der unter „Schwachsinn“ und Epilepsie litt, gehörte Albert Freytag zu dem vom Gesetz betroffenen Personenkreis, so dass er im Juli 1934 im AK Wandsbek sterilisiert wurde. Da er sich vor dieser Operation nicht in stationärer Behandlung befunden hatte, ist anzunehmen, dass er von einen niedergelassenen Arzt gemeldet bzw. angezeigt wurde. Nach dem Eingriff verstärkten sich die epileptischen Anfälle wieder. Im Dezember hatte sich Freytags Zustand offensichtlich weiter verschlechtert, denn er wurde wieder im AK Wandsbek eingeliefert und im Januar 1935 in die Alsterdorfer Anstalten verlegt. Die Einträge in der dortigen Krankenakte ähneln denen in der Schleswiger, ermöglichen es aber auch nachzuvollziehen, wie er selbst seine Situation sah: So klagte er seiner Mutter sein Leid, „sprach vom Schicksal, dass er zu tragen hätte“.
Ende Februar hatte er sich aus Sicht seiner Ärzte „positiv verändert“, wurde nun als ruhig, fleißig und Arbeit suchend geschildert. Doch ein paar Tage später kam es zu einer Auseinandersetzung mit einem Pfleger, den er in Gegenwart der Mutter beschimpfte. Als er sie noch mit dem Kaffeekessel bedrohte, wurde er in ein Einzelzimmer verlegt. Selbst kleinste Vergehen wurden jetzt aktenkundig, z.B. sein besonderes Interesse für Zeitschriften, von denen er einige entwendete. Das medizinische Personal beobachtete einen Sammeltrieb bei ihm. So stahl er einige Tomaten, um sie in seine Kiste zu legen. Ihm fehle scheinbar die Einsicht für seine Tat, hieß es in der Akte. 1936 kam es zu Schlägereien mit Mitpatienten. Offenbar war er einer Arbeitskolonne zugeteilt, wo er bei der geringsten Tätigkeit in Schweiß geriet und unter krankhafter Unruhe litt. 
Eingeschränkte Arbeitsfähigkeit zusammen mit „gewalttätigem Verhalten“ führten zu keiner guten Prognose. So wurde 1937 ein Entmündigungsverfahren für Albert Freytag eingeleitet. In seinen Gutachten sprach sich der Leitende Oberarzt der Alsterdorfer Anstalten für die Verlegung des Patienten in eine geschlossene staatliche Anstalt aus, zumal auch Suizidgefahr bestehe, so dass ein dauernder Anstaltsaufenthalt dringend geboten sei. Da der Patient seine Angelegenheiten nicht selbst besorgen könne, seien die Voraussetzungen für eine Entmündigung wegen Geisteskrankheit gegeben. Der Arzt berief sich ferner auf die „Sippenkartei“. Bereits im November 1934 war in den Anstalten mit der Erfassung „erbkranker“ Familien begonnen worden, mit dem Ziel, eine reichsweite „Erbgesundheitskartei“ aufzubauen. In dieses Raster wollte man offenbar auch Albert Freytag einbinden. So waren die Ärzte in der familiären Krankengeschichte väterlicherseits auf Verwandte gestoßen, die zu den im Gesetz genannten Personengruppen bzw. Krankheitsbildern gehörten. 
Am 19. August 1937 beschloss das Amtsgericht Wandsbek Albert Freytags Entmündigung. Über einen Vormund ist zu dieser Zeit nichts aktenkundig geworden, erst Jahre später wurde ihm einer zugeteilt. 
Am 12. April 1938 wurde der Patient in die Staatliche Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn verlegt. Als Begründung war eingetragen: „Überweisung aus Alsterdorfer Anstalten, weil Halbjude.“ An anderer Stelle hieß es: „Die Verlegung erfolgte, weil jüdische Patienten jetzt möglichst in Staatlichen Anstalten untergebracht werden sollen.“ 
In Langenhorn wurde Albert Freytag zur Kolonnenarbeit im Garten bzw. in der Landwirtschaft eingeteilt, eine ehe unproduktive Tätigkeit, mit der er innerhalb der Arbeitshierarchie auf einer der untersten Stufen stand. Anfang 1939 erbrachte er nur wenig Arbeitsleistung, zumal er nach den Anfällen mehrere Tage ausfiel. Infolgedessen wurde er nun als leicht gereizter, dementer Kranker geschildert, der zur Aggressivität neige und dem Personal Schwierigkeiten mache. 
Das Jahr 1939 brachte einschneidende Veränderungen für den Patienten und seine Familie. Im Januar verunglückte seine Mutter tödlich. Die Großmutter Emma Freytag nahm sich jetzt des Enkels an und holte ihn zeitweise zu sich nach Hause. Mitte Mai 1940 kehrte der Patient von einem dreiwöchigen Urlaub zurück, nach dem sich aus Sicht der Ärzte sein Zustand verschlechterte. Man verlegte ihn auf eine andere Station, weil er den Schwestern nicht gehorchte, sie vielmehr tätlich angriff. 
Im Herbst 1939 wurde die „Euthanasie-Ermächtigung“ auf den Weg gebracht. Die durch die Meldebogenerfassung vorbereitete „Aktion T 4“ lief an. Geisteskranke konnten in mittlerweile eingerichtete Tötungsanstalten verbracht werden, wo sie in Gaswagen getötet wurden. Nach Protesten aus dem In- und Ausland wurde die „Aktion“ gegen die Geisteskranken im August 1941 offiziell beendet. Ihr fielen über 70.000 Patienten zum Opfer. Der Meldebogen mit Albert Freytags Daten war am 20. April 1938 nach Berlin zum „Reichsgesundheitsführer“ geschickt worden. Die Daten und die fünf Patienten-Kategorien u.a. „unproduktiv“, „unheilbar“, „wertlos“ wurden zentral erfasst und bildeten die Grundlage für die Euthanasie-Maßnahmen. 
Viele Angehörige, alarmiert durch die Erfassungsmaßnahmen, verstärkten ihre Bemühungen um die Patienten. Auch Albert Freytags Großmutter versuchte offenbar so oft wie möglich, ihren Enkel aus der Anstalt zu holen. Vielleicht ahnte sie, dass eine gute familiäre Einbindung einen gewissen Schutz gegen willkürlichen Abtransport bieten konnte. Doch der von ihr beantragte Weihnachtsurlaub 1939 wurde vom verantwortlichen Arzt abgelehnt. 
Auffällig ist, dass Albert Freytag oft verlegt wurde, entweder auf eine andere Station innerhalb Langenhorns oder in Anstalten im Hamburger Umland. Die Langenhorner Anstalt war mittlerweile überfüllt. Die nicht abtransportierten Geisteskranken mussten Körperkranken weichen, da Krankenhäuser und Altenheime im Stadtgebiet wegen drohender Bombenangriffe evakuiert wurden. Die jüdischen Patienten standen dabei unter besonderer Beobachtung, denn seit dem 23. September 1940 wurden Juden nicht mehr mit anderen Geisteskranken zusammen, sondern nun gesondert gesammelt und in Tötungsanstalten gebracht. In Langenhorn waren 36 jüdische Frauen und 30 jüdische Männer von der Meldung für die Tötungsanstalten betroffen. 
Albert Freytag gehörte jedoch nicht zu ihnen. Er wurde mit 50 Männern und 50 Frauen im März 1941 nach Neustadt in Holstein verlegt, in eine der Heilanstalten, mit denen die Hamburger Gesundheitsbehörde aus Rentabilitätsgründen vor Jahren Übernahmeverträge geschlossen hatte. Seine Großmutter Emma Freytag schrieb bereits eine Woche später an die Direktion und stellte einen Besuchsantrag. Die Antwort lautete, dass sie den Patienten jederzeit besuchen könne. 
Ende März richtete sie einen weiteren Brief an die Anstaltsleitung. Sie wolle ihren Enkel am 9. April in den Urlaub mitnehmen, wenn es ginge, bis 2. Mai, denn er habe am 28. April Geburtstag. Der Urlaub wurde nicht genehmigt, vermutlich weil eine weitere Verlegung anstand. Am 3. Mai 1941 kam Albert Freytag nach Langenhorn zurück und von dort gleich weiter nach Lüneburg, das er am 5. Mai mit einem Sammeltransport erreichte. 
Die einzelnen Verlegungen verstörten und beunruhigten gerade die Patienten, die einen geregelten Tagesablauf brauchten, und sie waren stets mit Verschlechterungen in der Unterbringung und Verpflegung verbunden, so dass sie sich abträglich auf den gesundheitlichen Zustand auswirkten. Albert Freytag unterlag weiterhin wechselhaften Stimmungen, reagierte aufgebracht, weil er seine Taschenuhr auf sein Verlangen nicht gleich bekam - und drohte, mit dem Stuhl auf den Arzt loszuschlagen. Dieser trug eine merkwürdig anmutende Bemerkung in die Krankenakte ein, die seine antisemitische Gesinnung offenbarte: „Besonders wenn man ihn reizt, ist es deutlich, dass F. Halbjude ist...“ 
Seine Großmutter besuchte ihn offenbar regelmäßig. Sie erwirkte die Erlaubnis, mit ihrem Enkel auf dem Anstaltsgelände spazieren zu gehen, je nachdem, wie sein Befinden es erlaubte. Allerdings – so die Eintragungen in der Akte – schien Albert Freytag zunehmend apathischer zu werden. Er stand zwar meist auf, hatte aber wenig Kontakt zu anderen und zeigte bei der Visite immer ein „freundliches, nichtssagendes Lächeln“. Anfälle traten regelmäßig fünf- bis zehnmal im Monat auf; anschließend war er reizbar, blieb tageweise im Bett.
Am 3. September 1943 wurde er zusammen mit 246 weiteren Patienten nach Langenhorn zurückverlegt. In Lüneburg brauchte man Platz für weitere aus Hamburger Alten- u. Siechenheimen Evakuierte. Die wenigen noch folgenden Eintragungen in der Langenhorner Krankenakte beschreiben Ende 1943 kaum Auffälliges, sondern ein ruhiges Verhalten und eine indifferente Stimmungslage. Abgesehen von den Anfällen – diese verringerten sich, nachdem er mit dem Medikament Luminal behandelt wurde - fühlte sich Albert Freytag offensichtlich ganz gesund. Allerdings konstatierten die Ärzte eine zeitliche Desorientierung. Das konnte bei dem gleichförmigen Tagesablauf wohl kaum ausbleiben. Immerhin war der Patient in der Lage anzugeben, wann er aus Lüneburg nach Langenhorn zurückgekehrt war. Dennoch wurde Albert Freytag am 1. Februar 1944 „nach Heilanstalt Meseritz“ verlegt und damit zur Tötung freigegeben. 
Die Langenhorner Anstalt kooperierte mit Meseritz offenbar in Eigeniniative (bis Mitte 1944) und hatte nach Anfrage eine zustimmende Antwort vom dortigen Verwaltungsleiter erhalten, woraufhin am 25. Januar 1944 ein Transport mit 50 Frauen aus der psychiatrischen Abteilung Langenhorn verließ. Kurz darauf, am 1. Februar, folgte ein weiterer mit 50 Männern, der Meseritz einen Tag später erreichte, darunter auch Albert Freytag. 
Die Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde war zwischen 1901 und 1904 als eine von vier Anstalten in der damaligen preußischen Provinz Posen errichtet worden (heutiges Territorium Polen). Später wurde die Einrichtung für bis zu 2000 Patienten ausgebaut. 
Die ländliche Lage, die Abgeschlossenheit der Anlage und die gute Erreichbarkeit durch die Reichsbahn hatte sie für die Durchführung der Massenmorde im Rahmen der Euthanasie prädestiniert. Ab Herbst 1941 wurde Meseritz unter Leitung des NSDAP-Aktivisten Ferdinand Grabowski im Rahmen der „T 4 Aktion“ zur Vernichtungsanstalt. Es ist davon auszugehen, dass die Langenhorner Ärzte über den Tötungscharakter von Meseritz Bescheid wussten. Dessen ungeachtet selektierten sie ihre Patienten für den Transport nach Meseritz und gaben sie zur Tötung frei. Die dortige Sterberate betrug etwa 90%. Langenhorn führte die Transporte möglichst mit eigenem Anstaltspersonal durch, so dass eine große Anzahl von Pflegern und Schwestern mit den Euthanasie-Anstalten in Kontakt kam. Sie fuhren mit den Kranken im Waggon in die Anstalt Meseritz hinein. 
Die Transporte trafen meist zwischen 23 und 24 Uhr ein. Kranke und gebrechliche Patienten kamen sofort in die Tötungshäuser. Die anderen wurden auf verschiedene Häuser verteilt. Unterernährung, Misshandlungen bei geringsten Anlässen und Schwerstarbeit prägten den Anstaltsalltag. Zu den Selektionskriterien gehörten körperliche Erkrankungen, nachlassende Arbeitsleistung, störendes Verhalten und fehlende Unterordnungsbereitschaft. 
Die Tötungen erfolgten in sogen. Isolierkammern der Häuser 18 und 19 für die Männerseite und wurden durch das Pflegepersonal mit Medikamenten wie Luminal, Morphium und Veronal vorgenommen, die meist gespritzt wurden. Fast alle Patienten lebten in Angst, sie kannten die Bedeutung der Isolierkammern. Die Wachmannschaft war mit Pistolen und Knüppeln ausgerüstet. Kontakte mit Außenstehenden wurden unterbunden, Besucher durften das Gelände nur in Begleitung betreten. Die Toten wurden jeden Morgen mit Handkarren aus den Häusern geholt und in die Leichenhalle gebracht. Nachdem man die Goldzähne gezogen hatte, verscharrte man die Leichen in Massengräbern auf dem Anstaltsfriedhof.
Albert Freytag gelangte mit dem 9. Transport nach Meseritz. Er fand anfangs Aufnahme in Haus 19. Er war bettlägerig, hatte ab und zu Anfälle. In den nächsten Tagen war er in der Lage aufzustehen, jetzt wurde er als folgsam und ruhig geschildert. Offenbar versuchte er, sich dem Anstaltsleben möglichst unauffällig anzupassen. 
Die nächste Eintragung erfolgte erst zwei Monate später. Sie beschreibt häufige starke Anfälle, Reizbarkeit und Bettlägerigkeit und dokumentiert einen Tag vor seinem Tod schwere Anfälle. Daraufhin wurde er ins Haus 18 verlegt; wo sich eine Isolierkammer befand. Die letzte, fast unleserliche – Eintragung datierte vom 24. April 1944. Sie lautete „Ex(itus) let(alis) gehäufte Krampfanfälle“. Damit unterschied sich die beschriebene Todesursache nicht von den üblicherweise benutzten standardisierten Eintragungen.
Albert Freytag bekam die Todesspritze vier Tage vor seinem 28. Geburtstag. Er musste sterben, weil er aufgrund seiner Krankheit eine schwache Arbeitsleistung gezeigt und einen hohen Pflege- und Betreuungsaufwand verursacht hatte. Und weil ihn Ärzte der Alsterdorfer und Langenhorner Anstalten begutachtet, als „erbkrank“ eingestuft und mit ihren Diagnosen zur „Euthanasie“ ausgewählt hatten. 
Im März 1944 wähnte das Amtsgericht Wandsbek Albert Freytag noch in der Lüneburger Anstalt. Es hatte ihm inzwischen einen (neuen?) Vormund zugeteilt, einen Justizinspektor der Sozialverwaltung Hamburg, der nichts mehr für ihn tun konnte (oder wollte). 

Astrid Louven 

English version 
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Schule auf dem Königslande (Heimatmuseum Wandsbek)


 

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Schatzmeisterstr. 43 (heutige Ansicht) (Foto: Astrid Louven)

Alfred Friedlaender, geb. 29.8.1887, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, dort verstorben 16.3.1942
Ingeborg Friedlaender, geb. 11.2.1924, deportiert am 12.10.1944 nach Auschwitz 

Stolperstein: Schatzmeisterstr. 43 (Marienstr. 12)

Die Initiatoren des Projekts Stolpersteine haben sich bestimmte Regeln gesetzt, nach denen die Erinnerungssteine verlegt werden. Dessen ungeachtet sind auch Wünsche von Paten mit eingeflossen, die die Vorgaben ergänzt haben. So befindet sich an dieser Stelle ein Stolperstein für Ingeborg Friedlaender, obwohl sie nur etwa die vier ersten Lebensjahre in diesem Haus lebte. Die Verlegung des Stolpersteins für ihren Vater ist im Stadtteil St. Georg geplant, da eine Zeitlang nicht geklärt war, wie lange er in Wandsbek wohnte. Da er im Wirtschaftsleben Wandsbeks Spuren hinterlassen hat, stelle ich hier einige inzwischen recherchierte Fakten vor. (Siehe auch Broschüre Stolperstein in Hamburg-St. Georg).
Alfred Friedlaender wurde am 29. August 1887 im oberschlesischen Hindenburg als Sohn des Hermann Friedlaender und dessen Ehefrau Johanna, geb. Hoffmann, geboren. Er hatte mindestens noch zwei jüngere Geschwister: Friedrich (Jg.1890) und Meta (Jg.1892), letztere gab 1962 zu Protokoll: „Alfred besuchte die Schule und Fortbildungsschule in Hindenburg. Mit 15 Jahren kam er nach Breslau ins Büro der Zigarrenfabrik Wendriner, Ohlau. Ungefähr 1908 ging er nach Hamburg und war bis etwa 1915 im Büro des Konsumvereins „Produktion“ tätig. Nachher übernahm er die Zigarrenfabrik ... Peters in Wandsbek, bis 1924. Danach war er in Hamburg Reisevertreter für größere süddeutsche Zigarrenfabriken bis zu seiner Deportation.“ 
Über seine Wandsbeker Jahre gibt das Adressbuch Auskunft. Der Eintrag lautete: „Alfred Friedländer i.Fa. Carl Peters, Tabak- und Zigarrenfabrik, Marienstr. 12“. Der Betrieb befand sich in der Litzowstr. 73, wo die Tabakfabriken Carl Peters angesiedelt waren. 
Alfred Friedlaender hatte am 3. Februar 1922 auf dem Standesamt Berlin-Charlottenburg Else, geb. Goldner (Jg.1898), geheiratet. Die Eheleute wohnten in der Marienstr. 12, wo Alfred Friedlaender und auch dessen Schwester bereits lebten. Meta Friedlaender heiratete wenige Wochen später den Kaufmann Hugo v. Halle und verzog nach Hamburg. Alfred Friedlaender war Trauzeuge des Paares. 
Seine Tochter Ingeborg wurde am 11. Februar 1924 in Wandsbek geboren. Auf der Kultussteuerkarte war sie als einziges Kind eingetragen. 1928 ließen sich ihre Eltern scheiden. Else Friedlaender kehrte mit ihrer Tochter vermutlich nach Berlin zurück. Über Ingeborg Friedlaenders schulischen und beruflichen Werdegang ist nichts bekannt. Sie wurde unter der Berufsbezeichnung Arbeiterin deportiert. Wahrscheinlich hatte sie als solche Zwangsarbeit geleistet. Ihre letzte Adresse lautete Berlin-Schöneberg, Berchtesgadener Str. 2. Sie wurde von dort am 12. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert. Laut Transportliste der Gestapo Berlin handelte es sich um den 58. „Osttransport“. In Auschwitz verliert sich ihre Spur. Als Ingeborg Friedlaender deportiert wurde, war sie 20 Jahre alt. 
Zum Zeitpunkt ihrer Deportation lebten beide Eltern nicht mehr. Ihre Mutter war am 7. Dezember 1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden.
Ihr Vater lebte nach der Scheidung als Reisevertreter unter verschiedenen Adressen in Hamburg. Von 1936 bis 1940 zahlte er geringe Gemeindesteuern, die über den Mindestsatz von 12 RM kaum hinausgingen, was zwar auf ein Einkommen, aber gleichzeitig auf prekäre wirtschaftliche Verhältnisse schließen lässt. Seit 1939 war er im Nagelsweg 19 I. bei Harms als Untermieter gemeldet. Seine letzten (offensichtlich nicht angegebenen) Wertsachen, eine goldene Uhr mit Kette, einen goldenen Ring mit drei Brillanten und 500 RM Bargeld gab er kurz vor der Deportation einem Bekannten zur Aufbewahrung, der sie nach dem Krieg – nicht ganz freiwillig – der emigrierten Schwester übergab. Alfred Friedlaender wurde aus dem Nagelsweg 19 unter der Berufsbezeichnung Vertreter am 25. Oktober 1941 nach Lodz deportiert, wo er am 16. März 1942 laut Totenliste des Gettos verstarb. 

Astrid Louven 
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Gunter Demnig verlegt den Stolperstein für Ingeborg Friedlaender /Foto: Astrid Louven)

Willy Fürst, geb. 28.11.1874, deportiert am 24.3.1943 nach Theresienstadt, dort am 19.10.43 verstorben

Stolperstein: Gehölzweg 8 (Waldstr. 8)

In einer ruhigen Straße in Marienthal vor einem Einzelhaus befindet sich ein Stolperstein, der an Willy Fürst erinnert, der als Sohn der Eheleute Salomon Lipmann Fürst und Hanna, geb. Wolfsohn, in Hamburg geboren wurde. 
Er wohnte unter verschiedenen Hamburger Adressen wie der Roonstr. 13 oder dem Winterhuder Marktplatz, bis er im Oktober 1919 in die Waldstr. 8 nach Wandsbek zog. Ende der 1920er Jahre kaufte er das Haus. Fürst bestritt seinen Lebensunterhalt als Kaufmann und Handelsvertreter; die Branche ist unbekannt. Er war mit der 1887 geborenen Hulda, geb. Hoferichter verheiratet. Sie war evangelisch und stammte aus einer nichtjüdischen Familie. 
In den Jahren des Ersten Weltkriegs geriet Willy Fürst mit den Beiträgen für die Deutsch-Israelitische Gemeinde in Rückstand, was auf schwierige wirtschaftliche Verhältnisse schließen lässt. Möglicherweise gehörte er 1920 der Wandsbeker Gemeinde an, ab 1924/25 jedoch war er nach Auskunft des Finanzamtes als Gemeindesteuerzahler gelöscht, d.h. aus der Jüdischen Gemeinde ausgetreten. 
Seit 1934 lebten die Eheleute im Grindelviertel, Beneckestr. 22 I, wo sie auch Zimmer vermieteten. Nachdem das neue Fernsprechbuch 1940 erschienen war, erhielt Willy Fürst eine Vorladung von der Kriminalpolizei. Wie etlichen anderen Juden warf man auch ihm vor, er habe den zusätzlichen Zwangsvornamen - „Sara“ bei Frauen bzw. „Israel“ bei Männern - nicht eintragen lassen. Am 27. Februar 1941 wandte sich der Präsident der Reichspostdirektion mit Sitz am Stephansplatz an die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg. Insgesamt sieben Jüdinnen und Juden hatten es unterlassen, „das Fernsprechamt 2 durch die Angabe der jüdischen Vornamen auf ihre jüdische Abstammung rechtzeitig hinzuweisen“. Dabei hatte das Fernsprechamt bei der Neuauflage für 1940 – nach eigenen Angaben – sämtlichen Teilnehmern einen Benachrichtigungszettel zugehen lassen. Demnach hätten – wie es hieß – die jüdischen Teilnehmer über ihre Verpflichtung nicht im Zweifel gewesen sein können, die Berichtigung ihres Eintrags in das Fernsprechbuch selbst zu beantragen
Anfang März gab die Oberstaatsanwaltschaft den Fall Willy Fürst an die Kripo „mit dem Ersuchen, den Beschuldigten verantwortlich zur Sache zu vernehmen.“ Zudem erging die Anordnung, auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten zu erfassen.
Nachdem Willy Fürst eine Vorladung erhalten hatte, schickte er dem zuständigen Polizeirevier in der Feldbrunnenstr. 18 eine handgeschriebene Postkarte. „Leider bin ich nicht im Stande, auf Ihre Vorladung betr. Fernsprecher heute bei Ihnen vor(bei)zukommen, da ich darmleidend bin. Ich bemerke, dass ich seit ... Juli 40 kein Telefon mehr besitze, vielmehr solches auf Namen meiner Frau überschrieben worden ist. Seit dem 28. Februar ist der Fernsprecher meiner Frau genommen worden, da derselbe vom Fernsprechamt ... per 28.2.41 gekündigt worden ist. Sollten Sie noch andere Fragen an mich zu richten haben, bitte ich einen Beamten zu veranlassen zu mir vormittags von 9-1 Uhr zu kommen. Meine Frau war heute Vormittag bei Ihnen, der betreffende Beamte war aber nicht anwesend. 
Ganz ergebenst Willy Israel Fürst, Beneckestr. 22 Hamburg d. 7.4.41.“
Bereits am nächsten Tag erschien Polizeimeister Müller. Er hielt im Vernehmungsprotokoll fest, dass Fürst kein Kriegsteilnehmer und seit Jahren wegen seiner Krankheit erwerbslos war und von seiner Ehefrau, „die Geld besitzt“, unterhalten wurde. Die Eheleute waren kinderlos; Reisepässe hatten sie sich nicht ausstellen lassen. Ganz offensichtlich hegten sie keine Auswanderungspläne. Zur Sache erklärte Fürst: „Ich habe dem Fernsprechamt keine Mitteilung über meinen zusätzlichen Vornamen gemacht, da mir die Bestimmungen nicht bekannt waren. Einen fraglichen ... Benachrichtigungszettel habe ich nicht erhalten. Auch kann sich meine Frau nicht auf eine Benachrichtigung durch die Post entsinnen. Eine böse Absicht meinerseits liegt bestimmt nicht vor, denn ich habe kein Interesse, meinen zusätzlichen Vornamen geheim zu halten.“
Im Mai 1941 erging ein Strafbefehl über eine Geldstrafe von 50 RM gegen Willy Fürst. In der Begründung hieß es: „weil Sie .... als Jude deutscher Staatsangehörigkeit fahrlässig nicht im öffentlichen Fernsprechverzeichnis Ihren Vornamen Israel geführt haben, obwohl es im Rechts- u. Geschäftsverkehr üblich ist, den Namen anzugeben.“ Zudem wurden ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt. 
Willy Fürst erhob Einspruch. Als Begründung führte er an, die Zuwiderhandlung sei ihm nicht bewusst gewesen, eine Benachrichtigung habe er nicht erhalten. Weiter führte er aus: „Es ist auch dadurch verursacht, weil mein Name vom Fernsprechamt als arisch angenommen worden ist. Außerdem war es jedes Jahr üblich, dass ich, bevor das neue Verzeichnis gedruckt wurde, eine Postkarte erhielt mit der Anfrage, ob eine Änderung der Anschrift etc. vorgenommen werden soll, auch diese habe ich nicht bekommen. Ich bin mir daher auch nicht bewusst, fahrlässig gehandelt zu haben. Ich bin schon seit 10 Jahren ohne Beschäftigung und bestreite ich meinen Lebensunterhalt durch Vermieten von Zimmern und hatte das Telephon lediglich nur für meine Untermieter gehalten. Ich bemerke noch, dass das Telephon seit dem 1. Juli 1940 auf Namen meiner Frau Hulda, welche arisch ist, umgeschrieben wurde. Ich bitte um Freisprechung, zumal ich im 67. Lebensjahr stehe und auch nicht vorbestraft bin. Hochachtungsvoll Willy Israel Fürst“
Im Juni kam es zu einer öffentlichen Sitzung im Amtsgericht Hamburg unter Landgerichtsrat Dr. Voigt. Fürst gab zu seinen Einkommensverhältnissen an, er würde 50 RM an Mieteinnahmen bekommen. 
In der Urteilsbegründung wurde wegen dieser „beschränkten wirtschaftlichen Verhältnisse“, und weil er die Tat zugab, die Geldbuße auf 20 RM gesenkt. Fürst bat nun um Ratenzahlung, die ihm eingeräumt wurde. In der Akte finden sich die Einzahlungsbelege an die Gerichtskasse, Willy Fürst bezahlte seine Strafe und die Gerichtskosten fristgemäß. Seine letzte Adresse lautete Beneckestr. 2-6. Die Häuser des Jüdischen Religionsverbands wurden mittlerweile als sogen. Judenhäuser genutzt, die vor allem ältere Juden beherbergten, bis sie zu einem Transport nach Theresienstadt aufgerufen wurden. Am 24. März 1943 wurde auch Willy Fürst dorthin deportiert. Vielleicht war seine nichtjüdische Frau inzwischen verstorben, vielleicht hatte sie sich von ihm getrennt. Die Ehe hatte nach nationalsozialistischer Terminologie als „nicht privilegierte“ Mischehe gegolten, deren jüdische Ehepartner ohnehin nicht vor einer Deportation geschützt waren. 
Willy Fürst wurde am 26. März im Getto Theresienstadt registriert. Er starb dort fast 69jährig am 19. Oktober 1943.

Astrid Louven 
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Bild entfernt.Bild entfernt.
Gehölzweg 8, 2008 (Foto: Astrid Louven)


 

Bild entfernt.Bild entfernt.
Haus am Schleusenredder, 2007 (Foto: AstridLouven)

Dr. Alwin Cäsar Gerson, geb. 24.8.1866, deportiert am 24.2.1943 nach Theresienstadt, dort verstorben am 11.4.1943

Stolperstein: Schleusenredder 23, Wohldorf-Ohlstedt 

Wer in Wohldorf das frühere Haus von Alwin C. Gerson aufsucht, mag sich fragen, was ihn in diese abgelegene Gegend zwischen Waldrand und Aue verschlagen hatte. Reizte ihn das beschauliche Leben eines Landarztes oder hatte er andere Ambitionen?
Als er sich im Jahre 1900 in dem Dorf mit den etwa 500 Einwohnern niederließ, war er 34 Jahre alt und gerade promovierter Allgemeinmediziner. Mit seiner Berufswahl setzte Gerson die Tradition seiner männlichen Vorfahren fort, die seit dem 17. Jahrhundert Mediziner in Hamburg und Altona gewesen waren, darunter Hartog Hirsch Gerson, der sich dem von Spinoza beeinflussten Kreis der Aufklärer angeschlossen hatte. 
Alwin Cäsar Gerson wurde am 24. August 1866 in Hamburg-Rotherbaum 23 geboren. Sein Vater, Hartog Caesar Gerson, ebenfalls in Hamburg geboren, ein promovierter Mediziner praktizierte als Chirurg und Augenarzt, die Mutter Julia, geb. Jonassohn, war 34 Jahre alt und im englischen Sunderland geboren. Die Hochzeit der Eltern hatte 1861 in London stattgefunden, zwei Jahre nachdem Hartog C. Gerson den hamburgischen Bürgereid abgelegt hatte. Es ist anzunehmen, aber bisher nicht durch Quellen zu belegen, dass Gersons Eltern der christlichen Religion angehörten. Der Sohn wurde getauft und später auf das renommierte Realgymnasium des Johanneums geschickt. 
Nachdem er das Studium abgeschlossen und einen Teil seines Militärdienstes in Gießen beim Infanterie Regiment Nr. 116 als Lazarettgehilfe der Reserve absolviert hatte, war er wieder nach Hamburg zurückgekehrt, wo er 1893 vor der Abschlussprüfung als „cand. med.“ zur Untermiete wohnte und einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragte. 1896 erhielt er seine Approbation. Danach beendete er seine Militärzeit als Einjähriger Freiwilliger beim Infanterie Regiment 76 in Hamburg. Im Jahre 1900 erwarb er den Doktortitel mit einer Dissertation zum Thema „Über die Häufigkeit des Blasensteinleidens in Thüringen nebst Ausführungen über die Behandlung desselben“. Im selben Jahr ließ er sich in Wohldorf nieder, einer zu den hamburgischen Walddörfern gehörenden Gemeinde. Möglich, dass es in Hamburg und Wandsbek bereits genug Ärzte gab, möglich auch, dass der junge Alwin Gerson eine volkstümliche Ader hatte und dem steifen Hamburger Bürgertum, insbesondere den gesellschaftlichen Zwängen zu entkommen suchte. Vielleicht suchte er auch die Nähe der 1899 neuerrichteten hamburgischen „Irrenanstalt“ in Langenhorn, eine Filiale der „Irrenanstalt“ Friedrichsberg, weil er sich in einer neuen ärztlichen Disziplin erproben wollte, der Psychiatrie. 
Alwin Gerson und seine Frau Elsa, geb. Behrmann, richteten sich im Schleusenredder 23 im gerade fertig gestellten Haus ein. Im Dezember wurde der Sohn Alwin Cäsar Joachim geboren, zwei Jahre später die Tochter Elsa. Die Arztfamilie bekannte sich zur evangelisch- reformierten Kirche. 1901 erwarb Alwin Gerson das hamburgische Bürgerrecht.
Im Frühjahr 1900 stellte er einen Genehmigungsantrag zur Einrichtung einer privaten Krankenanstalt für nervenleidende Rekonvaleszenten. Offenbar verfolgte er das Konzept der beruflichen Zweigleisigkeit. Einerseits betrieb er die Landarztpraxis, die nicht allzu viel Einkommen abwarf, obwohl es für den praktischen Arzt, Geburtshelfer und Kleinchirurgen in einer ländlichen Gegend ohne Frage viel zu tun gab; andererseits behandelte er die nervenkranken Patienten aus eher besser gestellten Verhältnissen, die – alternativ zu Friedrichsberg und Langenhorn – in der Wohldorfer Waldeinsamkeit Ruhe und Gesundheit zu finden hofften und ihrem Arzt zusätzliche Einnahmen bringen konnten.
Die beantragte Genehmigung für die Krankenanstalt wurde schon bald erteilt, nachdem „Landherrenschaft und Ortsgemeinde schließlich keine Bedenken (mehr) haben, da die Anstalt nicht neu erbaut, sondern im Haus des Dr. Gerson eingerichtet werden soll und nur ca. 5 Personen behandelt werden sollen.“ Zum Grundstück gehörten ein Pferdestall, eine Wagenremise und eine Kutscherwohnung. Über Beschwerden von Dorfbewohnern gibt es keine Hinweise; das Grundstück lag wohl weit genug abseits des Dorfzentrums. Aufnehmen wollte Gerson „Nervenleidende, Rekonvaleszenten, Geisteskrankheiten, leichte Epileptiker und harmlose Schwachsinnige; ausgenommen von der Aufnahme sind akute Psychosen.“ 
Einmal im Jahr kontrollierte ein Vertreter des Medizinalkollegiums (heute: Gesundheitsbehörde Hamburg) die Krankenbetreuung. In den Berichten, die stets den einwandfreien Zustand der Räume bestätigten, vermerkte er auch die Patientenzahlen: Anfangs hielten sich in der „Villa Elsa“ regelmäßig zwei bis drei weibliche Kranke auf, darunter eine langjährig. 1909 waren am Schleusenredder zwei Patientinnen dokumentiert. Zwischen 1910 und 1914 lebte nur noch eine Patientin in dem Haus, wie es hieß, in einem Wohn- und Schlafzimmer von großen Dimensionen. Über sie wurde vermerkt: „Zurzeit (wird) seit langem nur eine taubstumme degenerierte Psychose, eine junge Verwandte, verpflegt.“
Der Bau der Kleinbahn Alt-Rahlstedt-Wohldorf beeinträchtigte den Betrieb der Krankenanstalt offenbar nicht, obwohl sich schräg gegenüber ab 1907 ein umfangreicher Endbahnhof mit Güterabfertigung, einer großen Wagenhalle und einer Rangiergleisanlage befand. Im Jahre 1909 ließ Gerson die Villa umbauen, genau genommen um einen weiteren Giebel verdoppeln, so dass die symmetrische Anlage entstand, die auch heute noch den Charakter des Hauses prägt. Durch einen im Westteil angebauten Wintergarten wurde die Wohnfläche vergrößert. Die Umbau-Pläne entwarf der Architekt Fritz Höger, der später des Chile-Haus in Hamburg und die Zigarettenfabrik Haus Neuerburg in Wandsbek erbaute. Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges stellte Gerson den Betrieb der Krankenanstalt ein.
Wann sich die Eheleute Gerson einander entfremdeten, muss offen bleiben. Die Ehe wurde geschieden. In den 1920er Jahren wohnte Elsa Gerson zusammen mit ihrem Sohn, der mittlerweile Jura studierte, in der Armgartstraße. Alwin Gerson blieb in Wohldorf und heiratete ein zweites Mal, Hildegart, geb. Bodendieck, auch diese Ehe wurde geschieden. 
Ab 1911 war der Wohldorfer Arzt auch Distriktsarzt in Wohldorf-Ohlstedt und Groß- Hansdorf und Schmalenbeck, letztere gehörten zur damaligen Zeit zu Hamburg. Teil des Distrikts war auch das Dorf Hoisbüttel. Bis Ende der 1920er Jahre praktizierte Alwin Gerson als einziger Arzt in Wohldorf. Bis heute erinnert sich noch manche Familie an ihn. „Der Hausarzt meiner Großeltern war Dr. Gerson. ... Mein Großvater war Pastor in Tangstedt (1896 bis 1930) und zog dann nach Hoisbüttel. ... Herr Gerson hatte auch andere Patienten in Hoisbüttel... Wenn ich mich recht erinnere, dauerte die Inanspruchnahme dieses Arztes so lange wie möglich an... Bei dem Stichwort Schleusenredder wurde stets erwähnt, dass dort Dr. Gerson wohnte und wenn wir auf Spaziergängen an dem ehemaligen Wohnhaus vorbeikamen, wurde uns dies auch gesagt. So war mir der Name Gerson immer präsent.“
Alwin Gerson betätigte sich auch politisch in seinem Wirkungskreis. Der Arzt gehörte dem Vorstand der Ortsgemeinde Wohldorf-Ohlstedt als „Gemeindevertreter der Rechten“ an, vermutlich als Mitglied der DNVP, der deutsch-nationalen Volkspartei, die sich stark an der Kaiserzeit orientierte. Er war auch Mitglied im sogen. Stahlhelm, dem Bund der Frontsoldaten, einer paramilitärischen Organisation der DNVP, in der Frontsoldaten jüdischen Glaubens die Mitgliedschaft verwehrt war. Zudem hatte Alwin Gerson die gemeindlichen Ehrenämter als Wohnungs- und Behandlungskommissar und zuletzt als Vorsitzender des Wohlfahrtsamtes inne. Er muss zeitweise auch Polizeiarzt auf preußischem Gebiet gewesen sein (möglicherweise in Wandsbek ), verlor diese Stelle aus politischen Gründen aber wieder, angeblich, weil er zu den Gegnern des demokratischen Systems gehörte. Aufgrund seines rechten politischen Engagements sah er seine Tätigkeit als Distriktsarzt gefährdet und vermutete, nur wegen seiner guten Verhältnisse zur Landherrenschaft nicht abgesetzt worden zu sein. Die Walddörfer wurden als Landherrenschaft der Geestlande vom Land Hamburg aus verwaltet, gehörten aber nicht zur Stadt Hamburg. 
Der Nationalsozialismus dürfte Gerson nicht sonderlich beunruhigt haben, fühlte er sich doch mehr im Einklang mit den neuen Machthabern als zu Zeiten der ungeliebten Republik. Doch ungeachtet seiner Haltung und seines religiösen Bekenntnisses trafen ihn 1935 die „Nürnberger Rassegesetze“. Er sah sich gezwungen, sein Amt als Distriktsarzt aufzugeben. Sein Nachfolger war der Arzt Heinrich Fleck, ein Kollege, der zeitweise mit ihm in seinem Haus praktiziert hatte. Gersons Altersrente wurde in eine sogenannte Gnadenrente umgewandelt und ihm vom Hamburger Gauleiter Karl Kaufmann 1935 bis auf Weiteres bewilligt. Die Folgen dieser Entrechtung stürzten Alwin Gerson in eine tiefe Krise, musste er nun erfahren, dass weder religiöses noch politisches Bekenntnis davor schützten, zum Personenkreis der Ausgestoßenen zu gehören. 1936 erlitt er einen Nervenzusammenbruch, von dem er sich lange nicht erholte, und der ihn zwang, seinen Praxisbetrieb einzustellen. Alle Verdienste – die seiner Vorfahren und seine eigenen – schienen plötzlich wert- und sinnlos zu sein, noch dazu sah er seine finanzielle Absicherung gefährdet. Die prekären gesundheitlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erlaubten es ihm nicht, das Haus am Schleusenredder zu halten. Am 29. September 1937 verließ Alwin Gerson seinen langjährigen Wohnsitz. Er blieb seiner Wahlheimat jedoch verbunden, zog nach Ohlstedt in die Straße Korte Blök 2, zur Untermiete bei einem „Frl.“ Walsberg. 
Hier lebte er offenbar recht isoliert. Hin und wieder besuchte er ehemalige Patienten. Vielleicht unterstützten sie ihn materiell. Das Gesetz, nach dem allen jüdischen Ärzten 1938 die Approbation entzogen wurde, dürfte für ihn eigentlich ohne größere Bedeutung geblieben sein, hatte er seine Praxis ja bereits aufgegeben. Doch gerade dieses Gesetz sollte dazu führen, dass der nunmehr 75jährige, bisher nicht vorbestrafte Arzt ohne Praxisbetrieb verurteilt werden sollte.
Was war vorgefallen? Gerson besuchte öfter einen ehemaligen Patienten, den Landwirt Karl Bruhn, der ihm freundschaftlich verbunden war. Im September 1940 wurde er zu ihm nach Duvenstedt zum Ziegelhof gerufen. Bruhn klagte über Herzbeschwerden, woraufhin der Arzt Medikamente aus der Apotheke von Piepenbring in Poppenbüttel auf ein auf seinen Namen lautendes Rezept besorgte. Er besuchte seinen Freund noch einmal in den Morgenstunden des 14. September. Zwei Stunden später teilte ihm dessen Sohn mit, dass sein Vater plötzlich verstorben sei und bat ihn, den Totenschein auszustellen. Dieses lehnte Gerson ab und verwies auf zwei andere Ärzte. Einer war jedoch verreist; eine Ärztin lehnte ab, da der Verstorbene nicht in ihrer Behandlung gewesen war. Blieb also nur noch das Gesundheitsamt in Wandsbek. Dort war der Medizinalrat Dr. Mainz am Telefon, der Gerson aufforderte, den Totenschein auszustellen. Nun musste dieser einräumen, das nicht zu können, weil er „Nichtarier“ (Jude) sei. Nun stellte Mainz den Totenschein aus, verfasste jedoch auch noch am selben Tag einen Bericht an den Amtsarzt des Gesundheitsamtes Wandsbek. Darin hieß es u.a.: „Ich fuhr also nach Duvenstedt und wurde von dem Sohn des Verstorbenen, der das Parteiabzeichen (der NSDAP A.L.) trug, zu der Leiche seines Vaters geführt.“ Der Sohn habe berichtet, Alwin Gerson sei jede Woche einmal zu seinem Vater gegangen, um sich die Zeit zu vertreiben. Als sein Vater erkrankte, habe dieser darauf bestanden, von Dr. Gerson und keinem anderen behandelt zu werden. „Herr Bruhn behauptete, er sei seinem Vater gegenüber in diesem Punkte machtlos gewesen. Neben der Tatsache, dass hier ein nichtarischer früherer Arzt einen deutschen Volksgenossen behandelt hat, ist der Umstand, dass eine Apotheke noch Verordnungen dieses Herrn anfertigt, erwähnenswert.“ Der Arzt Mainz meldete den Fall der Ärztekammer, die bestätigte, dass Gerson dort auch nicht als „Krankenbehandler“ gemeldet war (also als Arzt, der ausschließlich jüdische Patienten behandeln durfte). Der Verantwortliche der Ärztekammer Hamburg, Lochmann, leitete Mainz’ Bericht an die Staatsanwaltschaft beim Hanseatischen Oberlandesgericht weiter. und bat, „das Weitere zu veranlassen.“ Damit wurde die Denunziation gerichtsnotorisch. Am 28. Oktober 1940 nahm ein Polizeihauptwachtmeister Alwin Gersons Personalien auf, am 18. Dezember forderte der Oberstaatsanwalt das Amtsgericht auf, einen Strafbefehl zu erlassen, und am 6. Januar 1941 wurde eine Geldstrafe von 50 RM festgesetzt, zuzüglich Verfahrenskosten, wegen unerlaubter Ausübung der Heilkunde (nach Entzug der Approbation). 
Doch Gerson wollte die Strafe nicht akzeptieren und wandte sich zehn Tage später an die Gnadenabteilung der Staatsanwaltschaft Hamburg. „ Ich stehe im 75. Lebensjahr, bin im 41. Jahre Arzt in Wohldorf-Ohlstedt, im 22. Jahre Distriktsarzt. Bin hamburgischer Arzt in 5. Generation, lebe bescheiden in meiner Heimat Wohldorf-Ohlstedt. ... Habe nie eine Mitteilung der Ärztekammer erhalten, dass ich auf der Liste der nichtarischen Ärzte stände. Habe erst vor ganz kurzer Zeit in Veranlassung des vorliegendes Falles den Wortlaut des Gesetzes kennen gelernt. Bin mit Leib und Seele Landarzt gewesen und der Unterschied vom Landarzt zum großstädtischen Arzt ist doch, dass das Verhältnis des Patienten zu den Ärzten ein persönliches ist. Und in meiner langjährigen Praxis habe ich mir viele Freunde in der Landbevölkerung erworben und hatte sogar den Scherznamen ‚Bauerndoktor’. ... Und nun soll ich dafür bestraft werden, dass ich einem alten Freund kostenlos habe helfen wollen? Ich bin schon ohne das geringste eigene Verschulden schwer gestraft und soll nochmals gestraft werden. Ich weiß nicht, wie ich das machen soll. Beziehe monatlich 100 RM ... Pension brutto, d.h. netto 85 RM. Habe kein Vermögen, soll doch davon Ernährung, Bekleidung und Miete bezahlen. Deshalb richte ich an den Gnadenausschuss die dringende Bitte, mir die Strafe erlassen zu wollen, damit ich in Ruhe meinen Lebensabend hier in bescheidenen Verhältnissen beenden kann. Ich werde versuchen, nicht wieder gegen den Wortlaut des Gesetzes zu verstoßen, obwohl mir dies furchtbar schwer werden wird. Heil Hitler Dr. Alwin Gerson, Distriktsarzt i.R.“ 
Zwei Wochen später erreichte ihn die Nachricht von Amtsrichter Hartert, dass eine Strafaussetzung bis 31. März 1943 gewährt worden war, unter der Bedingung, „dass Sie sich innerhalb der Bewährungsfrist einwandfrei führen, insbesondere keine neuen Straftaten begehen.“ 
Am 18. April 1942 musste Alwin Gerson seinen Wirkungskreis verlassen. Er übersiedelte nach Hamburg ins jüdische Alten- und Pflegeheim, Schäferkampsallee 29, das mittlerweile als sogen. Judenhaus genutzt wurde. Dort verbrachte er noch etwa 10 Monate, bis er am 24. Februar 1943 ins Getto Theresienstadt deportiert wurde. Wenige Wochen später, am 11. April 1943, verstarb er dort im Alter von 77 Jahren.
Drei Tage vor seinem Tod teilte ihm das Amtsgericht schriftlich mit, dass er „nach Ablauf der Bewährungsfrist endgültig begnadigt“ würde. Das Schreiben ging mit dem Vermerk „unbekannt verzogen“ zurück. 
Sein Sohn Alwin Caesar Joachim Gerson hatte am Ersten Weltkrieg teilgenommen und war seit 1927 als promovierter Rechtsanwalt in Sozietät mit C. Staelin, Große Bleichen 12/14 tätig. Aufgrund seiner „nichtarischen Abstammung“ drohte ihm 1933 der Verlust seiner Zulassung. Doch wegen seiner politischen Haltung – er hatte sich an Kämpfen gegen „Spartakisten“ beteiligt - war er weiterhin zugelassen und vertrat etliche „Mischlinge“ als Anwalt. Allerdings war er nach 1933 gezwungen, alle Ehrenämter zur Verfügung stellen, was sich negativ auf seinen Praxisbetrieb auswirkte. Alwin Gerson trat als Mitglied in die Bezirksgruppe Hamburg des „Reichsverbandes christlich-deutscher Staatsbürger nichtarischer Abstammung“ (später Reichsverband der nichtarischen Christen, Paulus-Bund) ein, die er später auch zeitweise leitete. Er war verheiratet und wohnte im Krohnskamp. Seine Mutter und seine Schwester Elsa, von Beruf Sekretärin, waren Ende der 1930er Jahre in der Schlankreye gemeldet. 
Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Alwin Gerson als „Mischling 1. Grades“ eingezogen, jedoch 1941 aus „rassischen Gründen“ aus dem Wehrdienst entlassen. Dem im Oktober 1944 für „Mischlinge“ und „jüdisch Versippte“ angeordneten Zwangsarbeitseinsatz entzog er sich zusammen mit seiner Frau durch Flucht in die Illegalität. Nach Kriegsende schloss er sich 1945 der Selbsthilfeorganisation „Notgemeinschaft der durch die Nürnberger Gesetze Betroffenen“ an. Er starb am 12. Oktober 1980 in Hamburg.

Astrid Louven 

English version 
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Haus Korte Blök, 2007 (Foto: Astrid Louven)

Paul Goldschmidt, geb. 19.12.1874, deportiert am 24.2.1943 nach Theresienstadt, dort verstorben am 21.12.1943

Stolperstein: Fabriciusstr. 274 (Am See 26) Bramfeld

Paul Goldschmidt war ein kämpferischer Mann, der über ein ausgeprägtes Rechtsempfinden verfügte. Auch gegenüber dem NS-Staat forderte er den gesetzlichen Schutz seiner Bürgerrechte ein. Die erhaltenen Akten zeugen davon, wie mutig er sich gegen seine Diskriminierung als Jude wehrte, wie sich denken lässt, allerdings vergeblich. Aber er hatte sich wenigstens gewehrt. 
Paul Aaron Philipp Goldschmidt wurde am 19. Dezember 1874 als Sohn von Adolf und Henny, geb. Neustadt, in Hamburg geboren. Um 1900 ging er die Ehe mit Betty Halberstadt (Jg.1872) ein. Die Eheleute bekamen zwei Töchter: Hertha (Jg.1901) und Käthe (Jg.1906). Im selben Jahr machte er sich mit dem Handel von Perlmuttknöpfen und -schnallen selbständig. Zu dieser Zeit wohnte die Familie Schaarsteinweg 22 in der Hamburger Neustadt. 1916 starb seine Ehefrau und Paul Goldschmidt hatte allein für seine Töchter zu sorgen.
Im Juli 1918 heiratete er ein zweites Mal, die 1889 geborene Marie Dörge. Sie war keine Jüdin, konvertierte jedoch und gehörte der jüdischen Gemeinde bis 1925 an. Die Ehe blieb kinderlos. 
Paul Goldschmidt zahlte bis ca. 1930 nahezu konstante Steuern an die Jüdische Gemeinde, die ab 1933 sanken. Einem Vermerk zufolge handelte es sich auch um freiwillige Beiträge.
Goldschmidt, der sich durch die antisemitische Zeitstimmung bedroht fühlte, übertrug seiner Ehefrau im Oktober 1934 den Betrieb als Alleininhaberin. So wollte er seine Erwerbsgrundlage sichern und sein Vermögen dem absehbaren staatlichen Zugriff entziehen. Wie richtig er mit seinem Misstrauen lag, zeigten die gewaltsamen Übergriffe gegen ihn wenige Monate später. Im Vorwege war ihm vorgeworfen worden, nicht in ausreichendem Maße für das NS-Winterhilfswerk gespendet zu haben. Die Presse griff das Thema auf, so dass es schließlich zu einer Kampagne gegen Goldschmidt kam.
Der Abend des 25. Januar 1935 blieb den Eheleuten Goldschmidt noch lange im Gedächtnis. Sie erfuhren, dass ein Überfall auf sie geplant sei. Der herbeigerufene Polizeivorsteher sagte ihnen Polizeischutz zu, wenn Goldschmidt sich in Gestapo-Haft begebe. Offenbar erweckte dieser den Anschein, darauf eingehen zu wollen, woraufhin zwei Polizeiposten zum Schutz seines Grundstücks erschienen. Nachdem Goldschmidt aber untergetaucht war, wurden sie wieder abgezogen. Daraufhin musste seine Ehefrau zwei Stunden lang mit ansehen, wie das Gartenhaus (vermutlich von rechten Schlägertrupps) demoliert wurde, ohne dass die nochmals von ihr benachrichtigte Polizei sich wieder blicken ließ. Paul Goldschmidt hielt sich sechs Wochen lang verborgen, um der angedrohten „Schutzhaft“ im KZ Fuhlsbüttel zu entgehen. Nach seiner Rückkehr strengte er eine Schadensersatzklage gegen den Preußischen Staat an und beantragte am 6. April 1935 Armenrecht. Zudem bat er darum, ihm den in Wandsbek praktizierenden Anwalt Walter Jacobson zur Seite zu stellen. In seinem Schreiben an das Landgericht Altona ging er auf die Vorfälle an jenem Abend noch einmal ein. „Am 25. Jan. 35 bekam ich einen ... Anruf, dass meinem Leben und meinem Hause Gefahr drohe, es sei ein Überfall gegen mich geplant. Ich habe hierauf folgende Maßregel ergriffen: 
1. Tel. Hilfe vom Polizeipräsidium in Altona wegen schwacher Besetzung der Br(amfelder) Wache erbeten. Dies wurde abgelehnt.
2. Hierauf sandte ich meine Frau zu dem Vorsteher der hiesigen Wache.
3. Der Polizeivorsteher Ruhbach kam persönlich in mein Haus und sprachen wir über die Lage. Er sagte mir Doppelposten den ganzen Abend zu, wenn ich in Schutzhaft ginge.
4. Abends 7 ½ Uhr hat sich der Doppelposten, die Beamten Schütt und Goldberger, von dem Obertruppführer Eggers entfernen lassen. Bald hierauf begann eine allgemeine Demolierung.
5. Abends 9 ½ Uhr, als die Demolierung noch immer nicht zu Ende war, hat meine Ehefrau eine Zeugin zur Polizeiwache gesandt und um nochmaliges Einschreiten ersucht. Es wurde hierauf nicht reagiert. ... Ferner hat die Geheime Staatspolizei unter Führung des Herrn Kommissar Wentziow, Altona, eine Akte mit vielen Photographien über diesen Vorfall aufgenommen. ... Ich selbst habe keinerlei Mittel zur Führung des Prozesses. Ich bin auch gezwungen, zwei Zeitungen wegen schwerer Beleidigung vor dem Amtsgericht in Wandsbek zu belangen. ... Schadensforderung in Höhe von M 1067,-- anbei. Ich bitte höfl. sich meiner großen Lebensnöte als bedrängter Jude annehmen zu wollen und verbleibe 
Mit aller Achtung
Paul Goldschmidt
Hamburg-Bramfeld.“ 

Aus der Aufstellung der „Kosten des Landfriedensbruches“, die er dem Gericht einreichte, geht hervor, dass allein fünf Handwerker verschiedener Branchen nötig waren, um die Schäden zu reparieren. Ferner setzte Goldschmidt Kosten für die 42 Tage auf die Rechnung, an denen er sich wegen Lebensgefahr hatte verbergen müssen. Dabei erwähnte er auch den „Oldesloer Landboten“, offenbar eine der beiden Zeitungen, die Hetze gegen ihn betrieben hatten. In einem Zusatz seiner Aufstellung führte Goldschmidt auch einen Aufenthalt im Wandsbeker Zellengefängnis sowie öffentliche Diffamierungen und gesundheitliche und geschäftliche Nachteile an. Trotz seiner detaillierten Schilderungen wurde die Klage abgewiesen, und Goldschmidt blieb auf den Gerichtskosten in Höhe von 175 RM sitzen. 
Anzumerken bleibt noch, dass sich die genannten Vorfälle ereigneten, bevor die „Nürnberger Rassegesetze“ erlassen wurden, die die Bürgerrechte der jüdischen Bevölkerung gesetzlich einschränkten. 
Im März 1939 wanderte Goldschmidts Tochter Käthe nach Brasilien aus. Sie hatte zehn Jahre lang eine höhere Mädchenschule in Hamburg besucht und nach der Schulentlassung als Sekretärin und Lohnbuchhaltern gearbeitet, zuletzt bei der jüdischen Firma Herrenkleiderfabrik Fortschritt in Hamburg. Als der Betrieb nach dem 9. November 1938 „arisiert“ wurde, verlor sie ihre Stellung. 
Einen Monat nach ihrer Emigration nahm die Devisenstelle Ermittlungen gegen Paul Goldschmidt auf, verzichtete jedoch auf den Erlass einer Sicherungsanordnung. Über die Vermögenswerte – es handelte sich um das Grundstück – konnte ohnehin nur mit Genehmigung verfügt werden. Paul Goldschmidt hatte zuvor erklärt, dass ihm außer einem Einfamilienhaus in Bramfeld, das er selbst bewohne nur ein kleiner gewerblicher Betrieb (Knöpfe en gros) mit einem Kapital von 2.000 RM gehöre, den er seiner „arischen“ Ehefrau inzwischen übereignet habe. 
Am 24. November 1938, also nach dem Novemberpogrom, hatte Marie Goldschmidt den Antrag gestellt, die Firma Paul Goldschmidt weiterzuführen. Ein halbes Jahr später erteilte ihr der Reichsstatthalter die Erlaubnis unter folgender Auflage: „Ihrem jüdischen Ehegatten ist jeglicher Einfluss auf den Geschäftsbetrieb untersagt. Bei der Namensführung der Firma haben Sie ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass Sie Inhaberin sind.“ Zwar ließen die Goldschmidts nun Geschäftspapiere mit dem Zusatz „Arische Inhaberin Frau Marie Goldschmidt“ drucken. Doch die Eheleute nahmen diese Auflage offenbar nicht so genau, anders als einige ihrer Geschäftspartner. Marie Goldschmidt erhielt nämlich Post von der Verwaltung für Handel, Schiffahrt und Gewerbe, der Klagen vorlagen, dass ihr Mann Ende Oktober bei der Firma E. Lau vorstellig geworden war, um Aufträge zu erhalten. In dem Schreiben hieß es ferner: „Sie werden letztmalig darauf aufmerksam gemacht, dass Ihr Unternehmen unweigerlich geschlossen wird, sofern die nächste diesbezügliche Klage bei der Verwaltung einläuft.“
Der Druck auf die Eheleute, insbesondere auf den jüdischen Ehemann, ließ nicht nach. Noch gehörte ihm das Grundstück. Am 17. Juni 1942 teilte die Verwaltung für Handel, Schiffahrt und Gewerbe der Devisenstelle mit, „dass ein Antrag auf Verkauf des im Besitz des Juden Paul Aaron Philipp Israel Goldschmidt, wohnhaft Hamburg Bramfeld, Am See 26, befindlichen Grundstücks eingegangen ist.“ Käuferin des Grundstücks sollte seine Ehefrau Marie Goldschmidt sein. 
Das Grundstück wurde auf Veranlassung der Gestapo mit sofortiger Wirkung von der Hamburgischen Grundstücksverwaltung in Verwaltung genommen und die Wohnräume beschlagnahmt. Wo die Eheleute stattdessen unterkamen, ist nicht bekannt. Ende Dezember 1942 genehmigte die Devisenstelle die Übereignung des Grundstücks an Marie Goldschmidt. Die Finanzverwaltung ging damit kein Risiko ein, da der bar zu zahlende Teil des Kaufpreises ohnehin auf ein Konto einzuzahlen war, über das Paul Goldschmidt nur mit Zustimmung der Devisenstelle verfügen konnte.
Kurz zuvor hatte Marie Goldschmidt die letzte Rate der sogen. Judenvermögensabgabe entrichtet, die vom Finanzamt Barmbek-Wandsbek erhoben wurde, insgesamt knapp 4000 RM. Damit hatten die staatlichen Stellen sich auch eines Großteils des Barvermögens der Eheleute bemächtigt. Blieb noch die Aufhebung der störenden „Mischehe“ selbst.
Bis zu seiner Scheidung am 6. Oktober 1942 wohnte Goldschmidt zusammen mit seiner Ehefrau in seinem Bramfelder Haus. In dieser prekären Situation, ein ungewisses Schicksal vor Augen, wollte Paul Goldschmidt handlungsfähig bleiben. Er setzte auf die Zeit nach dem Krieg. In seinem Schriftstück heißt es: „Für etwaige Schädensvergütungen nach dem Kriege erkenne ich meine Ehefrau Marie Goldschmidt ... als berechtigte Empfängerin an. Meine Frau ist durch die Gesetzgebung gezwungen gewesen, sich von mir scheiden zu lassen, damit sie nicht um alles kommt. Wir lebten fast 25 Jahre in glücklicher Ehe. Durch das antisemitische Treiben habe ich große Geldverluste erlitten. 
Hamburg-Bramfeld Oktober 1942 Paul Goldschmidt“. 
Seine Frau ließ die Ehe aufheben, eine Möglichkeit, die die nationalsozialistischen Machthaber für solche Fälle vorgesehen hatten: Als sie ihn 1918 geheiratet habe, seien ihr die Umstände nicht bekannt gewesen, die „heute gegen eine derartige Ehe“ sprächen. Sie nahm ihren Geburtsnamen wieder an. Paul Goldschmidt zog in das jüdische Altenheim Schäferskampsallee 25/27, dann zu seiner Tochter Herta. Ab und zu besuchte er seine Frau in Bramfeld. Während dieser Zeit denunzierte ihn der Nachbar Clausen, so dass Goldschmidt im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert wurde und nach seiner Entlassung bis zu seiner Deportation im jüdischen Altenheim bleiben musste.
Die antijüdischen Maßnahmen hatten Paul Goldschmidt entrechtet und seiner Familie entfremdet. Mit der Scheidung den sogen. Volljuden gleichgestellt, hatte Paul Goldschmidt auch den Schutz vor einer Deportation verloren. Am 24. Februar 1943 musste er den Zug nach Theresienstadt besteigen, wo er zwei Tage später registriert wurde. Noch im Februar 1943 zog man sein Vermögen zu Gunsten des Reiches ein, womit auch Goldschmidts Enteignung abgeschlossen war. Sein Tod erfolgte am 21. Dezember 1943; er war 69 Jahre alt. 
Die Ehescheidung wurde nach dem Krieg rückwirkend annulliert. Marie Goldschmidt betrieb den Knopfhandel bis September 1945 weiter. Paul Goldschmidts Todesdatum war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Er wurde erst einmal auf den 8. Mai 1945 für tot erklärt. Spätere Nachforschungen ergaben, dass er 1 ½ Jahre früher verstorben war.

Die ältere Tochter Hertha, Näherin von Beruf, und mit einem nichtjüdischen Ehemann verheiratet, musste von September 1942 bis Februar 1945 in verschiedenen Hamburger Firmen Zwangsarbeit leisten. Am 14. Februar 1945 wurde sie im Rahmen der letzten Deportation aus Hamburg, getarnt als „auswärtiger Arbeitseinsatz“ nach Theresienstadt deportiert. Im Mai 1945 befreiten die Alliierten das Lager. Herta Goldschmidt kehrte nach Hamburg zurück.

Astrid Louven 

English version 
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Bild entfernt.Bild entfernt.
Am See 26 (Stadtteilarchiv Bramfeld)

John de Haas, geb. 13.2.1876
Rebecca de Haas, geb. Levy, geb. 13.3.1881
Edgar de Haas, geb. 26.9.1910
alle deportiert am 8.11.1941 nach Minsk

Stolpersteine: Rüterstr. 73 (Kampstr. 73/74)

Die Familie de Haas lebte seit Mitte des 19. Jahrhundert in Wandsbek. Als ältester Familienangehöriger aktenkundig geworden ist der Produkten- und Manufakturwarenhändler Simon de Haas (Jg.1844), 1883 wohnhaft in der Kampstr. 24. Seiner ersten Ehe mit Mary, geb. Alexander (Jg.1843), entstammte u.a. der Sohn John. Er wurde am 13. Februar 1876 in Wandsbek geboren und verlor bereits im Alter von fünf Jahren seine Mutter. Aus der zweiten Ehe seines Vaters mit Johanna, geb. Philip, gingen drei Söhne hervor, darunter Georg und Alfons. Sie heirateten die Schwestern Olga und Regina Seligmann (s. Kap. Seligmann). 
John de Haas blieb seinem Vater beruflich verbunden, betätigte er sich doch als reisender Stoffhändler, vermutlich eine nicht gerade lukrative Tätigkeit, denn er blieb lange bei den Eltern gemeldet, u.a. in der Kampstr. 24, und verheiratete sich erst im Alter von 40 Jahren mit Rebecca, geb. Levy. Das Paar bekam zwei Kinder: 1906 wurde die Tochter Mary geboren und 1910 folgte der Sohn Edgar. Die Familie wohnte anfangs in der Königstraße. Von 1914 bis 1933 waren sie in der Kampstr. 73/74 II. gemeldet. John de Haas bekleidete innerhalb der Jüdischen Gemeinde Wandsbek verschiedene Ämter. So war er 1920/21 Gemeindekassierer und amtierte von 1923 bis 1929 als Gemeindevorsteher. Er war bekannt und angesehen, nicht nur, weil er ab 1915 Kriegsteilnehmer gewesen war, sondern er verhalf auch manchem Wandsbeker Bürger zu einem neuen Anzug. Eine Zeitzeugin erinnerte sich: „Mein Vater achtete nicht sehr auf seine Kleidung, das überließ er meiner Mutter. Herr de Haas kam in regelmäßigen Abständen auf ein Schwätzchen bei uns im Geschäft vorbei, und wenn es wieder an der Zeit war, sich neu einzukleiden, sagte meine Mutter zu meinem Vater: ‚Du brauchst nun einen neuen Anzug.’ Beim nächsten Besuch gab mein Vater dann eher widerwillig, denn er mochte die ganze Prozedur des Aussuchens und der Anprobe nicht, Herrn de Haas den Auftrag, ihm geeignete Stoffe mitzubringen. Das war die Stunde meiner Mutter, die meinen Vater beriet, der sich mit Herrn de Haas beriet, der wiederum den Geschmack meiner Mutter zu berücksichtigen wusste. So ging das hin und her, bis mein Vater sich für einen Stoff entschieden hatte. Wenn das Geschäft endlich besiegelt war, machte sich Erleichterung breit – und der Erfolg konnte gefeiert werden.“ 
Am 25. September 1933 meldete sich die Familie de Haas nach Hamburg ab, sie zog in die Brahmsallee 16. Im Juli 1936 waren sie in der Grindelallee 77 wohnhaft, laut Meldekarte übte John de Haas nun den Beruf des Gartenarbeiters aus. Vielleicht hatten sich die Verdienstmöglichkeiten nach Machtantritt der Nationalsozialisten für den mobilen jüdischen Gewerbetreibenden in Wandsbek verschlechtert, vielleicht hoffte er, in Hamburg die hohen Steuern, die die Jüdische Gemeinde Wandsbek sich gezwungen sah zu erheben, dort nicht entrichten zu müssen. Der Wohnungswechsel kam den noch im Elternhaus lebenden Kindern zugute, die beide bei Hamburger Firmen beschäftigt waren. Die Familie, die sich bereits beim Schulbesuch der Kinder als religiös geprägt erwiesen hatte, schloss sich am neuen Wohnort dem gemäßigt orthodoxen Kultusverband der Neuen Dammtor-Synagoge an. 
Obwohl die Familie seit ein paar Jahren nicht mehr in Wandsbek lebte, befand sich John de Haas’ Name auf dem 1935/36 gegen die in Wandsbek ansässigen jüdischen Geschäftsleute gerichteten Boykott-Flugblatt wieder. Dessen Verfasser hatten ihm sogar eine eigene Rubrik eingeräumt: „Reisender von Haus zu Haus mit Stoffen usw.“, und seine Wandsbeker Adresse mit dem Hinweis versehen, dass er mittlerweile in Hamburg lebte. Offenbar misstrauten die Behörden ihm und seinen früheren Kunden – und unterstellten ihnen, die alten geschäftlichen Beziehungen zu pflegen. Ob es sich wirklich so verhielt und John de Haas in eingeschränktem Umfang noch in Wandsbek tätig war, ist nicht bekannt. Die Neigung, bei den oftmals preisgünstigeren jüdischen Händlern und Trödlern zu kaufen, war bei ärmeren Bevölkerungsschichten, wie Fürsorgeempfängern, bis Ende der 1930er Jahre allerdings durchaus vorhanden. 
Sein Sohn Edgar de Haas absolvierte die Mittelschule in Wandsbek und die Talmud-Tora-Realschule am Grindelhof. Nach einer dreijährigen Lehrzeit bei der Roh-Tabakfirma Möller in Hamburg, wo er eine Fachausbildung in der Tabakbranche erhielt, arbeitete er als kaufmännischer Angestellter, später als Untervertreter, in der Tabakbranche. Er zahlte Beiträge zur Rentenversicherung von 1926 bis Anfang 1937. Danach musste er seine Tätigkeit aus Verfolgungsgründen aufgeben und fand keine neue Stellung. So lernte er im Hinblick auf seine geplante Emigration das Zigarrenmachen, Kenntnisse, die er nach Angaben seiner Schwester für eine Zukunft außerhalb Deutschlands als außerordentlich nützlich einschätzte. Der Kriegsbeginn verhinderte jedoch die Auswanderung. Edgar de Haas leistete als Pflicht- und Zwangsarbeit Erdarbeiten, bis er am 11. November 1939 erkrankte, danach verbrachte er eine Zeitlang arbeitsunfähig zu Hause.
Seine Schwester Mary de Haas besuchte von 1913 bis 1921 die Israelitische Töchterschule Carolinenstraße und danach ein Jahr lang die Handelsschule in Hamburg. Von 1922 bis 1924 arbeitete sie als Sekretärin bei der Firma Strauss & Co. in Hamburg; danach bis 1936 bei der Firma Leon Levy (Haare, Bürsten, Federn). Bis sie auswanderte, war sie bei der Firma Emil Frensdorff & Co., Curschmannstr. 53, tätig.
Vater, Sohn und Tochter de Haas zahlten laut Kultussteuerkartei in unregelmäßigen Abständen die Gemeindeabgaben. Daraus ergibt sich, dass John de Haas in der Zeit zwischen 1934 und 1941 nur drei Jahre lang ununterbrochen beschäftigt war. Er lebte zeitweise von Fürsorgeunterstützung und hatte wie sein Sohn wahrscheinlich Pflichtarbeit zu leisten. Edgar de Haas verdiente 60 RM monatlich, was als steuerfreies Einkommen galt, so dass ihm 1934/35 die Gemeindesteuern erlassen wurden. Mary de Haas schien es kaum besser gegangen zu sein; sie entrichtete bis 1938 geringe Gemeindebeiträge, die ab 1936 gestundet werden mussten. 
Am 10. Mai 1939 zog die Familie in ein sogen. Judenhaus in der Kielortallee 24 um: Mary de Haas wohnte dort noch etwa zwei Monate, dann konnte sie im Juli 1939 mit finanzieller Unterstützung des Hilfsvereins der deutschen Juden nach England ausreisen, wo sie anfangs als Hausmädchen arbeitete und von amerikanischen Verwandten unterstützt wurde. Die übrigen Familienmitglieder wechselten am selben Tag die Unterkunft und zogen in das Nachbarhaus Nr. 22 III. Von dort wurden John, Rebecca und Edgar de Haas am 8. November 1941 nach Minsk deportiert. Wie lange sie den lebensfeindlichen Bedingungen des Gettolebens widerstehen konnten, ist nicht bekannt. Die Familie gilt als verschollen. John de Haas wurde auf den 8. Mai 1945 für tot erklärt, Frau und Sohn vermutlich auch. „Todesnachrichten oder Nachweise über die Eltern liegen nicht vor. Es kann daher keine Sterbeurkunde geben“, teilte das Internationale Rote Kreuz im Rahmen des Wiedergutmachungsverfahrens mit, das Mary de Haas eingeleitet hatte, nachdem sie 1947 in die USA eingereist war. Zunächst arbeitete sie dort, später, als sie kränkelte, war sie auf die Hilfe von Freunden angewiesen und schlug sich mit Aushilfsarbeiten durch. 1963 legte sie eine Zeugenaussage über die Wandsbeker Familie Fränkel nieder (s. Kap. Fränkel).

Astrid Louven 
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Stolpersteine für die Familie de Haas (Foto: Astrid Louven)


 

Bild entfernt.Bild entfernt.
Blick in die fr. Goethestraße (Heimatmuseum Wandsbek)


 

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Familiengrab Heimberg, Friedhof Ihlandkoppel (Foto: Astrid Louven)

Bertha Heimberg, geb. Elias, geb. 7.3.1908, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, am 7.5.1942 nach Chelmno
Edgar Heimberg, geb. 14.9.1888, 1938 Haft im KZ Fuhlsbüttel, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, am 7.5..1942 nach Chelmno


Stolpersteine: Robert-Schuman-Brücke/Ecke Jüthornstraße 49 (Goethestr. 20)


Dort, wo heute die vierspurige Robert-Schuman-Brücke aufsteigt, um die Verkehrsströme über die Bahnlinie und das Marienthaler Villenviertel hinwegzuführen, reihten sich in der damaligen Goethestraße einst repräsentative Villen aus der Gründerzeit einander. Wer hier wohnte, gleichermaßen stadt- wie parknah, hatte es zu etwas gebracht – und übte oftmals einen akademischen Beruf aus wie die Familie Heimberg. 
Der Unternehmer Louis Heimberg, 1854 als Leser Heimberg im westfälischen Padberg geboren, hatte mit seiner Frau Meta, geb. Oppenheimer, vier Söhne, die alle zwischen 1887 und 1897 in Padberg zur Welt kamen. Er kam nach Hamburg, um die Firma des Apothekers L. Seydel Nachfolger in der Bornstr. 28 zu übernehmen. Seit September 1902 lebte er mit seiner Familie in Wandsbek, Goethestr. 20. Louis Heimberg betrieb jetzt eine kleinere chemische Fabrik in der Rennbahnstr. 28. Seine Söhne René, Edgar, Alwin und Manfred nahmen am Ersten Weltkrieg teil, die beiden jüngeren überlebten den Kriegseinsatz nicht, Edgar Heimberg erhielt für seine Verdienste das Frontkämpfer-Ehrenzeichen. 
1917 trat Louis Heimberg in die jüdische Gemeinde Wandsbek ein, seit diesem Jahr zahlte er auch die Kultussteuer. Die beiden ältesten Söhne betätigten sich in der Branche des Vaters: René Heimberg als promovierter beeidigter Handelschemiker, Edgar Heimberg vertrieb chemische Präparate, so sein Eintrag im Adressbuch, ebenfalls in der Goethestr. 20. 
1927 heiratete René Heimberg die jüdische, 1895 in Budapest geborene Chemikerin Maria, geb. Krauss, deren Familie in Wien lebte. Bei der Eheschließung zog sie nach Deutschland und war seit dem 1. Februar 1928 in der Goethestr. 20 gemeldet. Die Eheleute hatten einen Sohn, Ludwig Heimberg wurde am 10. August 1929 geboren. 
1928 starb Louis Heimberg, 1937 René Heimberg. Beide wurden im Familiengrab auf dem jüdischen Friedhof Ohlsdorf bestattet.
Die Firma Apotheker L. Seydel Nachf. gehörte mittlerweile Edgar Heimberg, der mit seiner Schwägerin Maria Heimberg je zur Hälfte auch am Chemischen Laboratorium Dr. René Heimberg beteiligt war. Auch die Namen der beiden Brüder befanden sich auf dem antisemitischen NS-Flugblatt unter der Rubrik „Industrie“. 
Maria Heimberg und wohl auch ihr Ehemann trugen sich mit Auswanderungsplänen. Im Februar 1937 erhielt Maria Heimberg von der Devisenstelle die Genehmigung, eine Informationsreise nach Palästina zu unternehmen – nachdem ihr Ehemann sich gegenüber dieser Behörde mit der Reise seiner Frau einverstanden erklärt hatte. Doch eine Emigration nach Palästina kam letztlich nicht zustande, vielleicht, weil Krankheit und Tod René Heimbergs sie verhindert hatten. 
Zu den an einer Auswanderung Gehinderten zählte auch Edgar Heimberg. Es begann damit, dass ihm im August 1938 der Passantrag abgelehnt worden war und Sicherungsmaßnahmen gegen ihn und René Heimbergs Firma eingeleitet wurden. Die Devisenstelle forderte eine Auskunft über Vermögenswerte vom Finanzamt Wandsbek an und wandte sich an das Polizeiamt Wandsbek. Unter dem Stichwort „Kapitalflucht“ sollten von dort folgende Informationen über die Wohnverhältnisse der Heimbergs eingeholt werden: „ob die Wohnung noch voll mit Möbeln ausgestattet ist ... Wird die Wohnung von den Genannten auch tatsächlich genutzt? ... genaue Personalien aller Genannten. ... Ferner bitte ich unauffällig festzustellen, ob ... Auswanderungsabsichten bestehen. Anhaltspunkte evtl. Lösung des Mietvertrages, Verkauf des Grundstücks, Neuanschaffungen aller Art über den bisher üblichen Rahmen hinaus, Auslandsreisen.“ Gleichzeitig wurde die Abteilung Passpolizei von der Devisenstelle angewiesen, „dem Genannten, seiner Ehefrau und etwaigen Familienangehörigen den Pass zu entziehen, ohne jedoch davon Kenntnis zu geben, dass die Entziehung der Pässe auf meine Veranlassung erfolgt ist.“ Bereits drei Tage später lag die Antwort des Polizeiamtes Wandsbek vor, das den Heimbergs offenbar einen Kontrollbesuch abgestattet hatte. Die Fragen, ob die Wohnung möbliert und bewohnt sei, wurden bejaht. Weiter hieß es: „Edgar Heimberg und die Witwe von Dr. René Heimberg bewohnen ... gemeinschaftlich ein angemessenes Einzelwohnhaus. Die Witwe des René Heimberg hält sich zurzeit in Wien auf (bei ihren Eltern). Der gültige Reisepass ist eingezogen worden u. befindet sich hier.“
Ende August 1938 musste Edgar Heimberg eine Auflistung des Grundvermögens einreichen. Neben dem Haus in der Goethestraße waren darauf noch eine Villa in der Waldstr. 20 und Bauland in der Ahrensburger Straße verzeichnet. Am 10. Oktober 1938 ergingen Sicherungsanordnungen gegen Edgar und Maria Heimberg. Zeitgleich wurden fünf Geldinstitute und ein Hypotheken-Schuldner benachrichtigt. Alle Banken meldeten die vorhandenen, mittlerweile gesperrten Guthaben. Abschließend wurde von der Devisenstelle vermerkt: „Weiteres Vermögen ist hier nicht bekannt. Die Auswanderungsabsichten des Steuerpflichtigen sind unbekannt.“ 
Im Zuge des Novemberpogroms wurde Edgar Heimberg, wie viele andere vermögende jüdische Männer, festgenommen. Er befand sich vom 12. bis 30. November 1938 im KZ Fuhlsbüttel in „Schutzhaft“. In den Verhören wurde er vermutlich zur Auswanderung gedrängt, was angesichts seines gesperrten Vermögens aussichtslos war. 
Seine Schwägerin hatte zu diesem Zeitpunkt schon konkretere Pläne. Von Dezember 1938 bis zu ihrer Auswanderung am 1. April 1939 nach Cambridge/England beantragte Maria Heimberg größere und kleinere Geldbeträge. Sie gab an, diese zur Unterstützung einer Bekannten in Hamburg und für Familienangehörige in Wien zu benötigen und erhielt die Genehmigung. Als sie jedoch die Freigabe von 10.000 RM zur Übernahme eines gebrauchten Extraktionsapparates beantragte, den sie mitnehmen wollte, fehlte der Genehmigungsvermerk. Dabei hatte sie als Begründung hinzugefügt: „Ich habe diesen Betrag inklus. Transport und sonstigen Unkosten kalkuliert. Ich betone, dass mir als Witwe mit einem kleinen Kind dieser Apparat vielleicht eine schmale Existenzbasis bilden kann.“ Am 2. März 1939 schrieb sie der Devisenstelle: „Aus der Liste meines Umzugsgutes ist ersichtlich, dass ich zur Hauptsache meinen alten Haushalt, welcher seit 1929 in meinem Besitze ist, mitnehme.... Ich bin geprüfte Nahrungsmittelchemikerin und war bis vor kurzem beeidigte Handelschemikerin. Diesen Beruf beabsichtige ich im Ausland weiter auszuüben. Um für mich u. mein minderjähriges Kind eine neue Lebensgrundlage zu schaffen, ... möchte ich die auf beifolgender Liste verzeichneten Apparate und Gegenstände aus meinem Laboratorium mitnehmen. Ein Gutachten der öffentlichen Auskunfts- u. Beratungsstelle für Auswanderer füge ich bei. ... Ich beabsichtige mein Umzugsgut in der 2. Hälfte des Monats März zur Verladung zu bringen und bitte den Herrn Oberfinanzpräsidenten um Freigabe. Ergebenst Dr. Maria Sara Heimberg“. Ob Maria Heimberg selbst promoviert worden war oder lediglich den Titel ihres Ehemannes benutzte, konnte nicht geklärt werden. 
Im Ermittlungsbericht der Zollfahndung vom 13. März 1939 hieß es: „Wertvolle Bilder, Gemälde und Teppiche sind nicht vorhanden. H(eimberg) ist angewiesen worden, die Schmuck- und Silbergegenstände dem Städtischen Pfandleihhaus, Bäckerbreitergang anzubieten.“ Der Juwelier Hintze, Jungfernstieg 32, bestätigte Maria Heimberg, dass sich im versiegelten Koffer Nr. 164 ihres Umzugsgutes nur unechte Gegenstände befanden. Echte Schmucksachen hätte sie ohnehin nicht ausführen dürfen.
Die Öffentliche Auskunfts- und Beratungsstelle für Auswanderer in Hamburg erteilte am 4. März 1939 die erforderliche Bescheinigung, in der es hieß: „.Frau H. hat ihr bisher selbständig geführtes chemisches Handelslaboratorium aufgeben müssen. Da sie in Deutschland ein weiteres Fortkommen nicht findet, will sie in England ein gleiches Unternehmen einrichten, um sich dadurch eine neue Lebensgrundlage zu schaffen.
Das Ausmaß der gebrauchten, vor 1933 beschafften u. seither ergänzten Laboratoriumseinrichtung wird für das Vorhaben u. zur Berufsausübung als gerechtfertigt anerkannt. Die Auswandererberatungsstelle hält die Mitnahme der gebrauchten Laborausrüstung im Gesamtwert von ca. RM 1500,-- zur Gründung einer neuen Existenz in England für angemessen und das Auswanderungsvorhaben der Frau Dr. Heimberg für wirtschaftlich durchführbar.“ 
Doch in letzter Minute drohte die Auswanderung zu scheitern. Wegen angeblich unrichtiger Angaben über das Umzugsgut kam es am 29. März 1939 zu einer „Unterwerfungsverhandlung“ im Hauptzollamt, und Maria Heimberg wurde eine Geldstrafe in Höhe von 6000 RM auferlegt. Worin bestand nun ihr Vergehen? Maria Heimberg hatte im Februar 1939 in der Liste ihres Umzugsgutes einen „Autoclav“ in der Rubrik „seit 1933 angeschafft“ aufgeführt, obwohl der Apparat erst kurz vor ihrer Auswanderung von der Fabrik geliefert werden sollte. Laut Rechnung des Verkäufers in Hannover handelte es sich um einen gebrauchten Knochenentfettungs-Apparat für 6 Zentner Knochenfüllung mit Zubehör. Wenige Tage nach der Verhandlung, am 1. April 1939, konnte Maria Heimberg mit ihrem Sohn auswandern. 
Nachdem sie ihren Wohnsitz ins Ausland verlegt hatte, wurde die Sicherungsanordnung gegen sie am 13. April 1939 aufgehoben. Das Vermögen unterlag nunmehr den für Auswanderer geltenden Sperrvorschriften des Devisengesetzes. Die 6000 RM Strafgeld zog die Zollkasse am 23. Juni 1939 ein.

Auch gegen Edgar Heimberg war eine Sicherungsanordnung erlassen worden. Im Mai 1939 beantragte er einen monatlichen Freibetrag von 500 RM zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes, der ihm genehmigt wurde. Die Judenvermögensabgabe, die „Sühneleistung“, die deutsche Juden nach dem Novemberpogrom zahlen mussten und andere Steuern wurden direkt abgebucht, wie die Finanzbehörde ihm mitteilte.
Im Oktober desselben Jahres versuchte Edgar Heimberg den monatlichen Freibetrag auf 875 RM zu erhöhen, der unter anderem den Lohn für eine Hausangestellte in Höhe von 120 RM beinhaltete. Entgegen seinem Antrag wurden ihm nur 450 RM bewilligt. Seine emigrierte Schwägerin hatte ihn als Generalbevollmächtigten für sich und ihren Sohn eingesetzt und hoffte, er könnte ihr von ihrem gesperrten Vermögen monatlich 200 RM Erziehungsbeitrag zukommen lassen, „da beide je nur 10 RM mitgenommen haben“, wie er in dem entsprechenden Antrag argumentierte. Ferner beantragte er, ein vom verstorbenen Gatten geschenktes Wanderer-Fahrrad aufarbeiten zu lassen und seiner Schwägerin zuzusenden. Zwischenzeitlich sah er offensichtlich die Aussichtslosigkeit dieser Anträge ein und verzichtete in einem weiteren Schreiben auf die Übersendung des Fahrrads und reduzierte den Betrag für den Neffen auf 50 RM.
Im Jahr 1940 spitzten sich Edgar Heimbergs Finanznöte zu. Auswanderungspläne schien er nicht mehr zu verfolgen. Stattdessen geriet er im Mai 1940 als „Betrüger“ ins Visier der Kriminalpolizei. 
Anlass dazu gab der Kauf eines Gasherdes Ende September 1939. Nach Abzug einer Anzahlung hatte Edgar Heimberg noch eine Restsumme von 128 RM zu zahlen und beantragte dafür beim Lieferanten Otto Schröder ein Darlehen, offenbar ein üblicher Vorgang. Die Unterschrift wurde von der Rechtsabteilung der Hamburger Gaswerke überprüft, die Heimberg eine betrügerische Absicht unterstellte und ihn denunzierte. Folgendes Schreiben ging an die Kripo Hamburg: „Darlehnsvertrag mit Edgar Israel Heimberg ... Am 27.9.39 richtete der obenbezeichnete Darlehnsnehmer einen Antrag an unsere Gesellschaft auf Gewährung eines Darlehns von RM 128,--. Er unterzeichnete den Antrag mit ‚Edgar Heimberg’. Da der Antragsteller nach dem Erlass des RM des Innern v. 18.8.38... als Nichtarier mit ‚Edgar Israel Heimberg’ hätte unterzeichnen müssen, nahmen wir bei der Stellung des Darlehnsantrages an, dass es sich bei dem Antragsteller um einen Arier handelte. Jetzt erfuhren wir durch einen Zufall, dass Heimberg Nichtarier ist und uns durch Weglassung des vorgeschriebenen Zunamens Israel über seine Rassenzugehörigkeit getäuscht hat. Wir hätten Heimberg bei Kenntnis der wahren Sachlage das Darlehn nicht gewährt, da wir als Staatsbetrieb Nichtariern grundsätzlich kein Darlehn zur Gasgerätebeschaffung gewähren. Wir bitten die Angelegenheit zu verfolgen und uns von dem Ausgang des Verfahrens Kenntnis zu geben.“ Worin der „Zufall“ bestand und wer den Tipp gegeben hatte, bleibt hier ebenso ungeklärt wie die Frage, auf welcher Grundlage die Gaswerke „Nichtariern“ ein Darlehen verweigerten. 
Am 8. Mai 1940 wurden Heimbergs Personalien erhoben, wobei er angab, einer Religionsgemeinschaft nicht anzugehören. Zur Sache erklärte er: „Die mir vorgeworfene betrügerische Erlangung eines Darlehns muss ich entschieden zurückweisen. Ein Darlehn habe ich über die Fa. Schröder beantragt und auch vom Gaswerk erhalten. Schröder kennt mich nicht persönlich. Meiner Unterschrift auf dem Antrag habe ich nicht den Namen Israel hinzugesetzt. Es hat mir ferngelegen, mich hierdurch als arisch hinzustellen. Die Gaswerke sind eine GmbH und ist es meiner Ansicht nach nicht erforderlich, zum Ausdruck zu bringen, dass ich Jude bin. Nach dem Gesetz habe ich diese nur den Behörden gegenüber herauszustellen. Hierzu rechnen m.W. aber nicht Gaswerke. Ich habe den Antrag lediglich als eine private Angelegenheit angesehen. Ich bin bisher unbestraft u. habe mit der Unterlassung auch bestimmt nicht meine Abstammung verbergen wollen. Im Weltkriege haben meine drei Brüder und ich an der Front gestanden und für Deutschland gekämpft. Zwei meiner Brüder sind für Deutschland gefallen. Ich war zwei Jahre an der Front und 2 ½ Jahre in englischer Kriegsgefangenschaft. Ich habe bisher nicht gegen Gesetze verstoßen und hat es mir auch im vorliegenden Falle ferngelegen. Weitere Angaben kann ich hierzu nicht machen. Der Kontoführer u. das Mahn...... (unleserlich A.L.) meines Namens wissen, dass ich Jude bin, denn ich habe mich verschiedentlich mit diesen darüber unterhalten. v.g.u. Edgar Israel Heimberg“.
Am 6. August 1940 fand die Verhandlung in öffentlicher Sitzung vor dem Amtsgericht Abt. 131, einem sogenannten Schnellgericht statt, d.h. es handelte sich um einen Termin zur sofortigen Aburteilung. Heimberg erschien mit seinem Verteidiger, dem „Rechtskonsulenten“ Dr. Bachur und wiederholte seine Erklärung: „Ich war der Meinung, meinen vollen Namen nur Behörden gegenüber ausschreiben zu müssen. Ich bin als Jude geboren und bin stolz, Jude zu sein. Mir hätte nichts daran gelegen, den vollen Vornamen zu schreiben, die Gaswerke wissen, dass ich Jude bin. Der Restbetrag ist gestern bezahlt worden. Ich bekomme mtl. 450 RM von der Devisenstelle ausbezahlt.“ Der Staatsanwalt beantragte dennoch 50 RM oder 10 Tage Gefängnis, während der Verteidiger auf Freispruch plädierte, der Angeklagte bat um eine Buße. 
Das Urteil lautete: „Der Angeklagte wird wg. Vergehens gegen §§ 3 und 4 der 2. VO zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 17.8.38 zu 50 RM evtl. 10 Tage Gefängnis verurteilt und hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe: ... Der Angeklagte musste den Vornamen Israel annehmen, soweit die Führung des Vornamens im Rechts- und Geschäftsverkehr üblich ist. Das liegt hier vor und ist auch im Formular besonders verlangt worden. Dementsprechend hat der Angeklagte ja auch einen Vornamen angegeben, hat aber den Vornamen Israel fortgelassen. ... Da nicht festzustellen war, dass der Angeklagte auf betrügerische Absicht ausgegangen ist, erschien nach Sachlage eine Geldstrafe von 50 RM eine ausreichende Sühne.“ 
Auf dem von Heimberg unterschriebenen Formular waren zwar Vor- und Zuname einzutragen, jedoch fehlte ein Hinweis auf zusätzlich zu führende Namen. 
Ein weiteres Ereignis des Jahres 1940 soll nicht unerwähnt bleiben. Am 17. November heiratete Edgar Heimberg die 20 Jahre jüngere Bertha Elias. Sie wurde am 7. März 1908 als Tochter von Nathan Elias und dessen Ehefrau Handeltje, geb. Cohen in Hamburg geboren. Vermutlich war sie, deren Berufsangabe Büffetfräulein lautete, im Sommer 1939 als Hausangestellte in Edgar Heimbergs Haushalt gekommen. 
Im Oktober 1941 erhielten die Eheleute den Deportationsbefehl. Doch ihre Namen sind nicht auf der regulären Liste der Deportierten verzeichnet. Sie gehörten zu jenen 200 jüdischen Hamburgern, die – wie es hieß „für evtl. Ausfälle vorgesehen“ waren und „ersatzweise“ für den ersten Großtransport herangezogen wurden. 
Am 25. Oktober 1941 mussten die Heimbergs den Zug nach Lodz besteigen. Im Getto Lodz waren sie als Chemiker und Hausfrau registriert und in der Rubensstr. 2, Wohnung 2 wohnhaft. Nachdem im Januar 1942 mehr als 10.000 und im März/April noch einmal mehr als 34.000 polnische Gettobewohner im Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno) ermordet worden waren, traf die Anweisung zur „Aussiedlung“ im Mai dann auch deutschsprachige Juden. Ohne genau zu wissen, welches Schicksal ihn und seine Frau erwartete, versuchte Edgar Heimberg durch eine Eingabe an die Verwaltung, die „Aussiedlung“ zu verhindern. In seinem Brief vom 2. Mai 1942 argumentierte er mit seinen zwei im Ersten Weltkrieg erlittenen Verwundungen und seiner englischen Kriegsgefangenschaft in Frankreich. Allerdings konnte er seine Angaben nicht durch Dokumente belegen, sondern war darauf beschränkt, sie zu beschwören. Die Eingabe wurde abgelehnt. Wenige Tage später, vermutlich am 7. Mai 1942 mit dem 4. Transport, dem viele Hamburger zugeteilt waren, wurden die Heimbergs in das Todeslager Chelmno weiterdeportiert und ermordet. Das ursprünglich überlieferte Chelmno-Datum 25. April 1942, das auch Eingang in die Gedenkbücher gefunden hat, muss durch Heimbergs Eingabe als überholt angesehen werden. 
Obwohl er (dort) schon längst nicht mehr lebte, war Edgar Heimberg 1942 noch unter Goethestr. 20 im Adressbuch eingetragen, ebenso wie der jüdische Lagerarbeiter Hermann Hirsch, der mit seiner Ehefrau Jenny, geb. Weile, in dem Haus gelebt hatte. Auch die Eheleute Hirsch wurden deportiert, am 8. November 1941 nach Minsk. Offenbar waren sie in die Wohnung des Ingenieurs Hans Theberath gezogen, nachdem dieser als Nichtjude das Haus mit den jüdischen Mietpartien verlassen hatte. In dieser Wohnung lebte seit Juli 1941 auch der aus Hamburg zugezogene Musiker Arthur Bud; er wurde nach Lodz deportiert.
So fungierte die Goethestr. 20 als eine Art „Judenhaus“ von Wandsbek.
Bertha Heimbergs Mutter wurde am 5. Mai 1943 ins Getto Theresienstadt deportiert, wo sie am 20. November starb. 
Wie eingangs erwähnt, wurde die Goethestraße inzwischen völlig umgestaltet, das Haus Nr. 20 existiert nicht mehr. Die beiden Stolpersteine befinden sich rechts von der Einfahrt einer Tankstelle. 
Astrid Louven
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Stolpersteine Heimberg Jüthornstr. (Foto: Astrid Louven)


 

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Sally Herzberg 1935 (Foto: Privatbesitz)

Albert Herzberg, geb. 6.6.1887, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk 
Sally Herzberg, geb. 3.10.1889, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk 

Stolpersteine: Kattunbleiche 30 (Bleicherstraße 6-10)

Die Brüder Albert und Sally Herzberg wurden in Wandsbek als Söhne des Semmy Herzberg (Jg.1852) und der aus Hamburg stammenden Henriette, geb. Moses (Jg.1852) geboren. Sie verbrachten den Großteil ihres Lebens in Wandsbek, genau genommen in der damaligen Bleicherstraße. Die Herzbergs zogen zwischen 1892 und 1928 innerhalb der Straße öfter um, was auf instabile wirtschaftliche Verhältnisse schließen lässt. So lebten sie in den Häusern Nr. 11, Nr. 6-10 und wieder Nr. 10. Die Familie des Vaters stammte aus Niedersachsen. Von Beruf Schlachter/Schächter, kam er nach Wandsbek, wo er eine (vermutlich) koschere (Geflügel)Schlachterei einrichtete. Die Eheleute Herzberg waren seit 1884 verheiratet und hatten neben den beiden Söhnen noch die ältere Tochter Johanna (Jg.1885). Die Söhne besuchten die Schule der jüdischen Gemeinde Wandsbek, die israelitische Elementarschule. Nach deren Schließung – sie entsprach nicht mehr den Anforderungen zur Erfüllung der Volksschulpflicht –, wechselten die Brüder im Jahre 1900 zur staatlichen Wandsbeker Mittelschule. Die finanzielle Lage der Familie wird keine günstige gewesen sein, denn 1903 erhielt Semmy Herzberg von der Homann‘schen Stiftung zur Unterstützung bedürftiger Schulkinder für seinen Sohn Sally 28 Mark. Diese Zuwendung stieß nicht auf die Zustimmung der anderen Gemeindemitglieder bzw. der Familie Herzberg, und es bedurfte erst einer Zurechtweisung der Beteiligten durch den Wandsbeker OB Rauch, damit sie von der Familie angenommen wurde. 
Albert und Sally Herzberg nahmen ab 1915 am Ersten Weltkrieg teil. Albert Herzberg wurde wegen Taubheit aus der Armee entlassen, sein Bruder erkrankte an Typhus.
Um 1920 war der Vater Semmy Herzberg laut Adressbuch als Händler tätig. Er starb 1923. Seine Tochter Johanna wurde 1931 tot aufgefunden. Henriette Herzberg starb 1935. Alle drei wurden auf dem Friedhof Jenfelder Straße beerdigt. 
Albert Herzberg blieb ledig und vermutlich auch kinderlos. Er arbeitete als Handlungsgehilfe bzw. Reisender, in der Mitgliedskartei der Jüdischen Gemeinde verweist ein Eintrag auf eine Seifenhandlung. Bis 1928 lebte er in der Bleicherstr. 10, dann zog er zu seiner Mutter in den Narzissenweg 13 und später mit ihr in die II. Schulstr. 43. Nach dem Tod der Mutter 1935 lebte er in der Hirschstraße 8, einer Seitenstraße der Bleicherstraße, und 1938 war er Langereihe 14 gemeldet, wo er in einem der einfachen Vorderhäuser nahe am Durchgang zur Synagoge wohnte, die der Jüdischen Gemeinde Wandsbek gehörten. Das war seine letzte Adresse in Wandsbek. Das Jahr 1939 verbrachte er zu einem großen Teil als Patient der Staatskrankenanstalt Langenhorn. Ob er dort psychiatrischer Behandlung bedurfte oder als wohnungslose Person ohne Angehörige aufgenommen wurde, ist nicht bekannt. Nach seiner Entlassung wurde ihm ein Vormund zur Seite gestellt. Bei diesem, Hermann Frank, handelte es sich vermutlich um ein ehemaliges Mitglied der Jüdischen Gemeinde Wandsbek, der, vermittelt von der Wohlfahrtsstelle des Jüdischen Religionsverbandes, nun Herzbergs Angelegenheiten regeln sollte. Herzberg zog in den Stadtteil Hoheluft, Abendrothsweg 19, zu Hermann Semler, einem Textilhändler, der nach Aufgabe seines Geschäfts ebenfalls aus Wandsbek dorthin gezogen war (s. Kap. Semler). Offenbar blieb Albert Herzberg erwerbsunfähig und verfügte über keinerlei Einkommen mehr. So musste er keine Kultussteuern zahlen, sondern wurde von der ehemaligen Jüdischen Gemeinde versorgt. Seine letzte Adresse vor der Deportation aus einem sogen. Judenhaus im Grindelviertel lautete Heinrich-Barth-Str. 8 bei Wolff. Von dort wurde er am 8. November 1941 nach Minsk deportiert, am selben Tag wie sein Bruder Sally. Auf der Kultussteuerkarte ist als letzter Eintrag über ihn vermerkt: „gestrichen 1941“.

Auch Sally Herzberg war bis 1928 in der Bleicherstr. 10 gemeldet. Er übte das Handwerk eines Schlachtergesellen aus, wohl in der Absicht, die Tradition des Vaters fortzuführen. Nach einem späteren Adressbucheintrag betrieb er jedoch keine Schlachterei, sondern eine Geflügelhandlung. In den Jahren bis zum Ersten Weltkrieg war er als Reisender mit einem Pferdefuhrwerk in Norddeutschland unterwegs und auch in verschiedenen Orten gemeldet, von denen er immer wieder nach Wandsbek zurückkehrte. Während des Krieges wurde er Vater eines Sohnes; zur Heirat mit der nichtjüdischen Mutter des Kindes kam es jedoch nicht (s. Kap. Freytag). 
1921 heiratete er Margarethe (Mary), geb. Lury (Jg.1893). Das Ehepaar meldete sich in der Bleicherstr. 10 bei seinen Eltern an. Im Laufe der 1920er Jahre wurden drei Kinder geboren, ein Sohn und zwei Töchter. Der Sohn Werner (Jg.1922) erinnerte sich, dass sein Vater ein Fuhrwerk-Geschäft mit Pferden betrieb und ansonsten oft die Kneipe der familiären Enge vorzog. So lebte Werner Herzberg in der Woche bei seiner Großmutter in Eimsbüttel in gutsituierten Verhältnissen, und hielt sich nur an den Wochenenden in Wandsbek auf. Das änderte sich 1932, als er Schüler am Wandsbeker Matthias-Claudius-Gymnasium wurde. Doch bei Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 wurden die Verhältnisse für den jüdischen Schüler dort unerträglich. Obwohl ihn einige Lehrer warnten, es könne Übergriffe gegen ihn geben und vielleicht sogar zu Blutvergießen kommen, und ihn aufforderten, dem Unterricht fernzubleiben, hielt er bis zum Ende des Schuljahres durch. Er ging Ende März trotz guter Leistungen ab und wechselte zur im Grindelviertel gelegenen Talmud-Tora-Realschule. 
Die Lage seines Vaters blieb weiterhin prekär. Infolge der Wirtschafts- und Bankenkrise 1929-1931 erlitt dieser einen Nervenzusammenbruch, der nach den Angaben seines Sohn darauf zurückzuführen war, dass der Hauptauftraggeber 1931 in schwere Bedrängnis geraten war. Sally Herzberg hatte für die Firma, die Metallbettgestelle für Krankenhäuser herstellte und nach Afrika und Südamerika exportierte, Transporte zum Hafen mit seinem Pferdefuhrwerk oder einem Lastwagen durchgeführt. Es handelte sich vermutlich um die Bettstellenfabrik Fischer & Eckmann mit Sitz in der Bleicherstr. 6-13. Der Mitinhaber Max Eckmann gehörte der Jüdischen Gemeinde Wandsbek an. Während Sally Herzbergs Krankheit erschien der Gerichtsvollzieher bei der Familie, da die Miete nicht gezahlt werden konnte. 
Die Familie Herzberg war nicht besonders religiös, Mary Herzberg führte keinen koscheren Haushalt, jedoch nahmen die drei Kinder am Unterricht des Rabbiners Bamberger an der Religionsschule der Jüdischen Gemeinde Wandsbek teil. 
1933 zog die Familie nach Hamburg in die Alsenstraße 18, später in die Grindelallee 35, und schloss sich dem gemäßigt orthodoxen Kultusverband Neue Dammtor-Synagoge an. 
Sally Herzberg
arbeitete als Schlachter, zeitweise im Schlachthof an der Sternschanze, und war Helfer im Israelitischen Krankenhaus. Doch sein gesundheitlicher Zustand ließ eine dauerhafte Beschäftigung wohl nicht zu. Er verbrachte eine Zeitlang in der Heil- und Pflegeanstalt Neustadt in Holstein, wo er 1935 aufgrund des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ ins Visier des „Erbgesundheitsgerichtes“ geriet und zur Zwangssterilisation angezeigt wurde. Die Akten geben keine Auskunft darüber, ob diese vollzogen wurde. Nach dem Tod seiner Frau – sie starb 1936 an Brustkrebs – fiel die Familie weiter auseinander, zumal es nun keinen Ernährer mehr gab, der für den Lebensunterhalt sorgen konnte. So fanden die Kinder Aufnahme in den Waisenhäusern der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburgs: Werner im Waisenhaus Papendamm, Clärchen (Jg.1927) und Ilse (Jg.1928) im Paulinenstift, Laufgraben. Sally Herzberg vermietete die freigewordenen Räume der Familienwohnung offensichtlich auch an nichtjüdische Mieter. Doch nun beschuldigte ihn eine Nachbarin der sexuellen Beziehung zu einer Untermieterin. Ihm als Juden hätte Gefängnis oder Zuchthaus gedroht, aber eine ärztliche Untersuchung der Frau ergab, dass sich der Vorwurf der „Rassenschande“ gegen Sally Herzberg nicht erhärten ließ.
Nach diesem Vorfall kündigte er die Wohnung, verlor so jedoch auch die Möglichkeit, etwas zu verdienen. Er wurde nun selbst Untermieter, in der Rappstr. 6 bei Goldschmidt.
Ebenso wie sein Bruder Albert benötigte jetzt auch Sally Herzberg finanzielle Unterstützung von der jüdischen Gemeinschaft. 
1939 ist über ihn auf der Karteikarte der Jüdischen Gemeinde zu lesen: „arbeitslos, Gelegenheitsarbeiten, Wochenlohn 13,-- RM /Winterhilfe.“
Ein letztes Mal zog er um und lebte nun zur Untermiete in der Heinrich-Barth-Straße 17 bei Nathan. 
Die Brüder Herzberg, 52 und 54 Jahre alt, wurden mit der zweiten Deportation aus Hamburg, am 8. November1941, gemeinsam nach Minsk deportiert, wo sie am 10. November mit weiteren 966 Hamburgern ankamen. Ob sie auch gemeinsam den Tod fanden, ist nicht bekannt. Dass sie den harten Lebensbedingungen in Minsk lange widerstehen konnten, ist unwahrscheinlich. Gleichwohl verstanden sich die Hamburger Deportierten als eigenständige Gruppe, die auch denen – so gut es ging – Schutz und Versorgung boten, die ohne Anhang waren. Doch überleben konnte nur, wer arbeitsfähig blieb und das Glück hatte, den zahlreichen Erschießungs- und Gaswagenkommandos oder dem Massaker im Mai 1943 zu entgehen. Sally Herzberg wurde rückwirkend auf den 9. Mai 1945 für tot erklärt. 
Seine drei Kinder konnten dagegen gerettet werden: Nach dem Novemberpogrom hatte sich ihre Tante Hedwig Lury zur Emigration entschlossen. Am 14. Dezember verließ sie mit ihrem Neffen Werner Herzberg Deutschland Richtung Niederlande. Danach schlug sich der Jugendliche weiter nach England durch. Nathan Max Nathan von der Jüdischen Gemeinde Hamburgs hatte ihm Geld und Gutscheine für die Überfahrt zukommen lassen. Auch Werner Herzbergs Schwestern gelangten Ende 1938 mit einem Kindertransport nach England.
1954 stellten die drei Geschwister, die alle nicht mehr dauerhaft nach Deutschland zurückkehrten, Wiedergutmachungsa
nträge. Ilse war inzwischen Lehrerin, Werner Student und Klärchen Privatsekretärin. Werner Herzberg hatte 1947 gemeinsam mit seiner Frau ein jüdisches Waisenhaus in London geleitet, studierte dann Psychologie und lehrte als Dozent an der Universität Reading. Er trug jetzt den Namen Vernon Hamilton. 
1962, drei Tage nach der Hamburger Flutkatastrophe, ließ er über seine Anwälte mitteilen, dass er 10 Prozent seiner Wiedergutmachungssumme aussetzen wolle für ein Arbeiterehepaar, welches Hausrat durch die Flut verloren habe. Sie sollten folgende Kriterien erfüllen: über 60 Jahre alt sein, solide leben und an der Verfolgung der ehemaligen jüdischen Bevölkerung Hamburgs nicht teilgenommen haben. So setzte er ein Zeichen der Versöhnung und Verbundenheit mit der Heimatstadt, aus der mindestens drei Familienangehörige in den Tod geschickt wurden: neben seinem Vater und Onkel auch seine geliebte Großmutter Bernhardine Lury, geb. Lilienfeld. Sie starb am 23. August 1942, wenige Wochen, nachdem sie ins Getto Theresienstadt deportiert worden war.

Astrid Louven

English version 
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Stolpersteine für Albert und Sally Herzberg vor der Kattunbleiche 30 (Foto: Astrid Louven)


 

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Stolperstein für Sophie Hirsch, verlegt 2007


 

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Stolpersteine für Erna und Oskar Michelsohn, verlegt 2007 (Foto: Astrid Louven)

Sophie Hirsch, geb. Lehmann, geb. 28.12.1859, deportiert am 24.2.1943 nach Theresienstadt, dort verstorben am 19.12.1943 
Erna Fratje Michelsohn, geb. Hirsch, geb. 9.6.1882, 1942-1943 Haft im KZ Fuhlsbüttel, am 12.2.1943 deportiert nach Auschwitz
Oskar Ludwig Michelsohn, geb. 13.7.1904, 1942-1943 Haft im KZ Fuhlsbüttel, am 12.2.1943 deportiert nach Auschwitz

Stolpersteine: Königsreihe 32 (Langereihe 58)

Als Sophie Lehmann 1859 in Ahrensburg geboren wurde, war die schwierige Lebensphase, in der sich ihre Eltern befanden, noch nicht ausgestanden. Eingaben an die Obrigkeit und unbotmäßiges Verhalten hatten bisher nur zu einem Teilerfolg geführt, am Ende jedoch die rechtliche Gleichstellung der gesamten jüdischen Bevölkerung im Herzogtum Holstein vorangetrieben. Was war geschehen?
Etwa anderthalb Jahre vor Sophies Geburt hatte ihr Vater, der Ahrensburger Schutzjude Lehmann Hirsch Lehmann, ein Gesuch an die Königliche Regierung in Kopenhagen gerichtet, sich an seinem Wohnort mit einem Hausierhandel niederlassen zu dürfen. Er wollte eine Familie gründen. Doch seine Bitte wurde im Juli 1858 abgewiesen. Trotz des Niederlassungsverbots trieb er seine Heiratspläne voran. Ferner ignorierte er ein Gebot, das besagte, die Kinder aufenthaltsberechtigter Juden dürften nur untereinander und nicht etwa Auswärtige heiraten. Seine zukünftige Frau stammte nämlich nicht aus Ahrensburg, sondern aus Hamburg. Der Ahrensburger Justitiar, der dafür zu sorgen hatte, dass gesetzliche Anordnungen eingehalten wurden, versuchte die Hochzeit zu verhindern. Er drohte damit, die zukünftige Ehefrau nicht aufzunehmen, vielmehr habe sie, sollte sie das Gebiet nicht freiwillig verlassen, „polizeiliche Wegschaffung“ zu erwarten. Doch Lehmann Hirsch Lehmann hatte inzwischen Fakten geschaffen: Er befand sich am 18. Oktober 1858 bereits in Wandsbek, dem zuständigen Rabbinatsgebiet, wo die Hochzeit mit Friederike, geb. Lazarus, stattfand. Damit war die Angelegenheit jedoch noch nicht geklärt. Das junge Paar konnte zwar vorerst einen Aufschub erwirken und in Ahrensburg bleiben, doch Ende des Jahres wurde deutlich, dass die Behörden offenbar nicht gewillt waren, einen Präzedenzfall zu schaffen, an dem sich die heiratsfähigen jungen jüdischen Männer Ahrensburgs orientieren könnten.
Im Winter 1858/59 erreichte der „Fall Ahrensburg“ eine größere Breitenwirkung. Während Lehmann Hirsch Lehmann persönliche Bittschriften an das Königliche Ministerium richtete, wandte sich der Vorstand der jüdischen Gemeinde Ahrensburg mit der Forderung an die Ständeversammlung, die beiden Verbote aufzuheben. Die Petition stand bei der Plenarberatung am 3. März 1859 auf der Tagesordnung. Eine Entscheidung fiel zwar nicht, doch am Ende konnten dänische Regierung und Ständeversammlung die prekäre Lage der Juden in Holstein nicht mehr ignorieren. Vier Jahre später erlangten die Juden der Herzogtümer Schleswig und Holstein die rechtliche Gleichstellung.
Lehmann Hirsch Lehmann hatte sich inzwischen an den dänischen König gewandt, denn seine Frau erwartete ihr erstes Kind. Nun mochte den Behörden auch aufgefallen sein, dass die Situation des jungen Paares, auch im Hinblick auf weitere Kinder, unhaltbar war. Im Januar 1860, etwa einen Monat nach Sophie Hirsch’ Geburt, erhielten ihre Eltern die Erlaubnis, sich weiterhin in Ahrensburg aufzuhalten. Sie hatten jedoch die Auflage erhalten, im elterlichen Haushalt zu wohnen und kein eigenes Gewerbe auszuüben. Das junge Paar und seine Kinder – es folgten noch vier weitere Töchter – hätten im Haushalt der (Groß)Eltern leben müssen und der Vater hätte – jedenfalls offiziell – seinen Lebensunterhalt nicht mit einem eigenen Gewerbe bestreiten dürfen. Diese Beschränkungen wurden dann mit dem Emanzipationsgesetz 1863 aufgehoben, mit dem Juden die bürgerlichen Rechte erhielten. Lehmann Hirsch Lehmann betätigte sich nun erfolgreich als Kornhändler und brachte es zu Wohlstand. So trugen die Hochzeit der Eheleute Lehmann und die Geburt ihrer ältesten Tochter Sophie dazu bei, den langwierigen Kampf um Gleichstellung der Juden ein wenig zu beschleunigen. 
Mit Anfang Zwanzig verließ Sophie Lehmann Ahrensburg Richtung Wandsbek, wo sie Naphtalie Hirsch heiratete, den 1851 geborenen Sohn einer eingesessenen Familie. Seine Eltern Hannchen und Michael Hirsch lebten seit den 1850er Jahren Langereihe 71, mittlerweile bewohnten sie ein eigenes Haus in der Nr. 58 bzw. 58a. Der Vater war Schlachter gewesen, sein Sohn arbeitete auch in diesem Beruf. 
1882 bekam Sophie Hirsch ihre Tochter Erna, und 1894 den Sohn Ernst, der am 17. Juli 1917 im Alter von 23 Jahren als Kriegsteilnehmer in Belgien fiel. Seine Urne wurde später überführt und im Mai 1924 auf dem Friedhof Jenfelder Straße beigesetzt. Das Grab ist nicht mehr vorhanden. 
Naphtali Hirsch fungierte in der Jüdischen Gemeinde Wandsbek als Schriftführer und Kassierer, im Adressbuch von 1913 ist er als „Privatier“ eingetragen, hatte sich also bereits zur Ruhe gesetzt. Er starb 1919 und wurde ebenfalls auf dem Friedhof Jenfelder Straße bestattet. 
Stammhaus der Familie Hirsch blieb die Langereihe 58, nun im Besitz von Sophie Hirsch, die dort das Erdgeschoss bewohnte. Sie war wohlhabend und zahlte bis 1937 in Wandsbek Kultussteuern. Nach Auflösung der Wandsbeker Gemeinde leistete sie bis 1942 Beitragszahlungen beim Jüdischen Religionsverband in Hamburg, die 1941 und 1942 auffallend anstiegen, als die Jüdische Gemeinde kaum noch erwerbstätige Mitglieder hatte und deshalb ihre vermögenderen Beitragszahler immer stärker besteuern musste, um die Aufgaben der Gemeinde noch notdürftig erfüllen zu können.
Inzwischen hatte die Gestapo begonnen, die Hamburger Juden zu deportieren, darunter auch Sophie Hirschs jüngere Schwester Charlotte Salomon (Jg.1862). Sie wurde am 18. November 1941 noch nach Minsk deportiert, obwohl sie die Altersgrenze für einen Transport nach Theresienstadt längst erreicht und mit nunmehr 79 Jahren sogar weit überschritten hatte. 
Nachdem ihre Tochter Erna und ihr Enkel Oskar Michelsohn in Gestapo-Haft genommen worden waren, lebte Sophie Hirsch noch einige Monate allein in der Langenreihe, bis sie am 15. September 1942 ins jüdische Stiftshaus Beneckestr. 6 im Grindelviertel zog. 
Zwölf Tage, nachdem Erna und Oskar Michelsohn aus dem KZ Fuhlsbüttel nach Auschwitz deportiert wurden, verließ auch Sophie Hirsch Hamburg. Sie musste den Zug nach Theresienstadt am 24. Februar 1943 besteigen, wo sie zwei Tage später ankam und registriert wurde. Sie verbrachte dort noch etwa zehn Monate, bis sie am 19. Dezember 1943, kurz vor ihrem 84. Geburtstag, starb. Die auf dem Friedhof Jenfelder Straße für sie reservierte Grabstelle blieb ungenutzt. 
Am Lebensweg der Sophie Hirsch lassen sich Aufstieg und Auslöschung des deutschen Judentums ablesen. Während ihre Eltern noch um Aufenthaltsrechte und freie Berufsausübung kämpfen mussten, konnte die nächste Generation Wohlstand und Partizipation erlangen. Als gleichgestellte Staatsbürger verloren viele allerdings auch Angehörige im Ersten Weltkrieg, so auch Sophie Hirsch ihren Sohn Ernst als Kriegsteilnehmer. Am Ende ihrer Tage stand sie als Jüdin wieder unter Sondergesetzgebung – die barbarischer als je zuvor – ihr und ihren Glaubens- und Leidensgenossen den Tod brachte. 

Sophie Hirschs Tochter Erna Fratje heiratete 1903 den 1871 in Bauska (heutiges Territorium Lettland) geborenen Kaufmann Moses Moritz Michelsohn. Er folgte seinem nach Hamburg verzogenen Vater, dem 1840 geborenen Großhändler Sawel Urel (Samuel) Michelsohn, der dort ein erfolgreicher Geschäftsmann geworden war. 
Erna und Moses Moritz ließen sich in Hamburg trauen, die religiöse Zeremonie fand drei Tage später in Wandsbek statt. Das junge Ehepaar lebte in Harvestehude in der Isestr. 45 III. Zwei Söhne wurden geboren: Oskar am 13.Juli 1904 und Werner am 28.Juli 1907. 
Moritz Michelsohn war in die Firma seines Vaters eingetreten. Er handelte mit Schuhwaren aus Gummi, wobei es ihm gelang, das Sortiment sukzessive zu vergrößern. 1920 befand sich die Firma S.&M. Michelsohn, Gummischuhe, im I. Stock des Merkurhofes, Kaiser-Wilhelm-Str. 89/91 in der Hamburger Neustadt. Nach dem Adressbuch von 1928 wies das Sortiment der Firma „Gummi- und Turnschuhe, Mode- und Bedarfsschuhwaren, Sportbeschuhungen, Leinenschuhe, Sandalen, Kamelhaarschuhe, Hausschuhe“ aus. 
Der jüngste Sohn Werner war als Handelsvertreter in der Von-Essen-Str. 5 eintragen. 
Moritz Michelsohn starb 1930, sein Sohn Werner 1931.
Auch der Sohn Oskar Michelsohn betätigte sich als Handelsvertreter. Er blieb vorerst in der Isestraße gemeldet, während seine Mutter nach den Todesfällen in der Familie zunächst ins Elternhaus zu ihrer Mutter nach Wandsbek zurückkehrte, Mitte der 1930er Jahre aber mit ihrem Sohn in Eimsbüttel in der Schlankreye 67, III lebte. 
Im April 1939 gerieten beide ins Visier der Devisenstelle Hamburg. 
Oskar Michelsohn war dort am 14. Juni 1939 zu einer „Besprechung“ vorgeladen worden, wo er seine Vermögensverhältnisse offen legen musste. Daraufhin ordnete die Behörde des Oberfinanzpräsidenten mit sofortiger Wirkung eine Sicherung des Vermögens an, d.h. sie sperrte es. Ihre Wertpapiere mussten sie in ein gesperrtes Depot geben, lediglich über die Erträge daraus sollten sie frei verfügen dürfen. Es folgte die Standardbegründung: „Herr Oskar Israel Michaelsohn ist Jude. Es ist damit zu rechnen, dass er in nächster Zeit auswandern wird. Nach den in letzter Zeit mit auswandernden Juden gemachten Erfahrungen ist es notwendig, Verfügungen über das Vermögen nur auf Genehmigung zuzulassen. Beschwerde bei Reichs-Wirtschaftsminister, Berlin, ist gegeben.“ Eine Beschwerde hätte jedoch keinerlei aufschiebende Wirkung gehabt.
Wie immer in solchen Fällen, erhielten zahlreiche Dienststellen, Ämter, darunter die Gestapo Hamburg, sowie die kontoführende Bank (hier: die Dresdner Bank) Kenntnis von dem Vorgang. Während der Eigentümer eines Vermögens jede Abhebung genehmigen lassen musste, konnte der Staat Steuern und öffentliche Abgaben wie die „Sühneleistung“ direkt abbuchen lassen, auch der Jüdische Religionsverband konnte Beiträge und Sonderzuwendungen direkt geltend machen. 
Ende September 1939 zog Oskar Michelsohn nach Hamburg-Wandsbek, ins Haus seiner Großmutter, wo auch seine Mutter inzwischen wieder lebte. 
Oskar Michelsohn befolgte die Auflagen der Finanzbehörde fristgerecht. Als monatlichen Freibetrag zum Lebensunterhalt beantragte er 175 RM, die ihm auch genehmigt wurden und fügte hinzu: „Ich habe lediglich Zinseinnahmen, über Kapitalbeträge beabsichtige ich nicht zu verfügen.“ Im Oktober 1939 wurde ihm untersagt, Barzahlungen irgendwelcher Art außerhalb des Freibetrages in Empfang zu nehmen. 1940 erfolgte eine scheinbare Lockerung der Vermögensperrung, insbesondere was Kosten für eine mögliche Auswanderung betraf – nur war diese inzwischen durch den Kriegsbeginn kaum noch möglich.
Nachdem die Devisenstelle das Vermögen des Sohnes sichergestellt hatte, konzentrierte sie sich nun auf das der Mutter und sperrte dieses ebenfalls. Erna Michelsohn musste ein Sicherungskonto bei der Dresdner Bank einrichten. Ihr genehmigungsfreier Betrag belief sich auf 300 RM pro Monat für Miete in Höhe von 60 RM, inklusive Nebenkosten und Unterhalt für sie selbst und eine unverheiratete Hausangestellte namens König. 
Darauf, wie bedrängt Großmutter, Mutter und Sohn in den nächsten knapp zwei Jahren in der Langenreihe lebten, gibt es kaum Hinweise. Nur eine ehemalige Nachbarin erinnerte sich anlässlich der Stolpersteinverlegung, Oskar Michelsohn habe das Haus mit einer Aktentasche verlassen, die er so vor der Brust getragen habe, dass der aufgenähte gelbe „Judenstern“ verdeckt worden sei. 
Erna und Oskar Michelsohn gehörten dem Jüdischen Religionsverband an. Auf ihren Mitgliedskarten war der Vermerk „8. Nov. 1941 Aussiedelung“ festgehalten und wieder durchgestrichen worden. Vielleicht sollten Mutter und Sohn schon in diesen Transport eingereiht werden und wurden noch einmal zurückgestellt. 
Im Juli 1942 verhaftete die Gestapo beide und verhörte sie in ihrem Hauptquartier, dem Stadthaus. Akten, aus denen die Gründe der Inhaftierung ersichtlich sind, existieren nicht mehr, da die Gestapo diese kurz vor Kriegsende vernichtete. Lediglich die Zeiten der sogenannten Schutzhaft sind dokumentiert. Danach wurden die Michelsohns am 21. Juli 1942 vom Stadthaus ins KZ Fuhlsbüttel eingewiesen, wo sie bis zum 12. Februar 1943 inhaftiert blieben. Gemäß der Anordnung, dass jüdische Häftlinge in das Vernichtungslager Auschwitz zu überstellen waren, wurden Mutter und Sohn im Alter von 60 bzw. 38 Jahren dorthin deportiert. Ihr Vermögen zog das Deutsche Reich unverzüglich ein. 
Das Schicksal von Erna und Oskar Michelsohn zeigt ein weiteres Mal, wie die Devisenstelle im Zusammenspiel mit Geldinstituten und der Gestapo Juden finanziell handlungsunfähig machte, so dass Auswanderungspläne gar nicht (oder zu spät) in Betracht gezogen werden konnten. Noch während die Eigentümer außer Landes deportiert wurden, raubten die Behörden bereits das noch verbliebene Restvermögen. 

Astrid Louven

English version 
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Auszug aus dem Adressbuch Wandsbek

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